Claw Trilogy 01 - Fenrir
Mund schob und die Tinte, die Ziegen und das blutige ungeborene Kitz schmeckte, aus denen das Pergament hergestellt war. Der Hunger wurde immer stärker. Er wand sich auf dem Boden und wollte ihn vertreiben. Während er sich die Stücke der Schriften in den Mund stopfte, sah er hier und dort ein paar Worte, die ausreichten, um die Erinnerung an ganze Passagen zu wecken.
Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut und sprach: Eli, Eli, lama asabthani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Jehan stopfte sich Stücke in den Mund. Er fühlte sich wie der Fleisch gewordene Hunger selbst.
Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von obenan bis untenaus. Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, die Gräber taten sich auf, und standen auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen, und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen.
»Ich bin ein Mensch«, sagte Jehan.
Draußen waren jetzt Rufe zu hören: »Schaut da drinnen nach! Versucht es da drinnen! Da ist etwas für uns zu holen, die Hexe hat gewiss nicht gelogen.«
Stiefeltritte vor der Tür, dann wurde die Tür aufgestoßen. Helles Mondlicht fiel herein und mischte sich mit dem, das sich durch das Loch in der Decke ergoss.
»Kommt mal her, Leute.« Ein großer Wikinger stand in der Tür, vor seinen Knien blinkte es silbern, als er das Heft der Axt in den Händen drehte.
»Nach dem Bilde eines Gottes«, sage Jehan auf Norwegisch.
»Was soll das denn, Kerl? Wo ist euer Gold, du heulender Feigling? Führe uns zu deinem Gold.«
»Nach dem Bilde eines Gottes.«
»Nach was? Männer, kommt mal her, ich habe hier einen erwischt. Bist du ein Mönch, Kerlchen? Bist du ein Mönch?«
»Ich bin ein Wolf«, sagte Jehan und ging dem Wikinger an die Gurgel.
Er tötete ihn blitzschnell, brach ihm mit einer einzigen Bewegung das Genick. Dann drückte er sich an der Wand in den Schatten und wartete auf den Nächsten. Der Tote lag mit weit aufgerissenen Augen im Mondlicht wie ein Ertrunkener unter einem Wasserfall.
»Da drin ist jemand.«
»Erik ist hineingegangen, oder?«
»Er ist nicht wieder herausgekommen.«
»Sei kein Narr. He, Erik, alles in Ordnung?«
Die Männer stürmten durch das Kloster, als suchten sie etwas. Er duckte sich, stützte sich auf die Hände, streckte den Rücken und drehte den Kopf. Er fühlte sich machtvoll und stark, eine gewaltige Kraft erwuchs in ihm. Als das Gebrechen ihn befallen hatte, war er anfangs nicht bereit gewesen, sich mit diesem Zustand abzufinden. Er hatte vor Frustration im Bett geweint, als ihn die Gerüche des Sommers gelockt hatten, nach draußen in die Felder zu rennen. Damals hatte er den Körper als Fessel empfunden, die den Geist festhielt. Was er jetzt fühlte, war ähnlich – ein starkes Bedürfnis, sich zu bewegen – , doch jetzt verspürte er reine Begeisterung. Er konnte sich ja bewegen, er würde sich bewegen. Es kam nur darauf an, den richtigen Augenblick abzupassen.
»Erik! Erik!«
Ein Mann stand in der Tür, kam herein, sah sich mit ruckenden kurzen Kopfbewegungen um, als fürchtete er, die Dunkelheit könnte ihn beißen. Sie tat es. In Windeseile wurde er in den Raum gezerrt und starb, ehe er schreien konnte.
Neue Stimmen: »Erik! O nein, Thengil! Thengil ist da drin. Jemand hat ihn niedergestreckt.«
Ein Wikinger kam herein und hockte sich in das Mondlicht, um den Freund zu betrachten. »Bei Freyrs dickem Schwanz, schaut euch nur seinen Hals an! Seht euch den Hals an!« Er legte dem Gefallenen die Hände auf die Kehle. Zwei Weitere kamen und beklagten sich über die Dunkelheit. Sie starrten den Toten an und tappten langsam und ungeschickt umher.
Ein neuer Sinn schien in dem Beichtvater zu erwachen. Er konnte ganz genau erkennen, worauf die Wikinger die Blicke richteten, und begriff, dass sie ihn nicht bemerkt hatten. Nicht nur die Bewegungen der Krieger kamen ihm langsam vor, auch deren Aufmerksamkeit verlagerte sich nur schwerfällig. Einer der Männer hatte sein Sax gezogen, einen billigen Ersatz für ein Schwert, im Grunde nur eine Art großes Messer. Er spähte in die finsteren Ecken des Raumes, doch sein Blick schien eine Ewigkeit zu brauchen, um von einem Winkel zum anderen zu wandern.
»Könnt ihr etwas hören?«, fragte ein Wikinger.
»Was denn?«
»Atem.«
»Er ist tot. Sein halber Kopf ist abgerissen.«
»Nicht seinen Atem, du Dummkopf. Etwas anderes.«
Jehan lauschte. In der
Weitere Kostenlose Bücher