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Claw Trilogy 01 - Fenrir

Claw Trilogy 01 - Fenrir

Titel: Claw Trilogy 01 - Fenrir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M D Lachlan
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hätte sie ihn schon einmal gesehen, aber nur durch schlechtes Glas, denn die Gesichtszüge waren verzerrt und verschwommen geblieben.
    Sie betrachtete ihre Hand. Es war die Hand, die sie kannte. Die Runen hatten sich vereint, doch aus ihr war kein Gott geworden, und sie war auch nicht gestorben, wie es die Hexe prophezeit hatte. Sie beruhigte sich und sah zwei Ringe von jeweils acht Runen, die sie umkreisten. Die heulende Rune stand im Zentrum, wand sich und schlich wie ein kriechender Wolf. Sie schien wichtiger zu sein als alle anderen zusammengenommen. Doch es fehlte noch etwas. Ein dritter Ring. Solange der nicht in ihr entstand, blieb sie ein Mensch.
    Sie hatte den Stein, den der Rabe ihr gegeben hatte, nicht losgelassen. In ihrer Panik hatte sie kaum bemerkt, dass die Finger ihn eisern festhielten. Jetzt hob sie ihn, um ihn genauer zu betrachten, und ließ ihn vor Schreck beinahe wieder fallen. Es war nur ein Kieselstein, der mit einem komplizierten Knoten an einer Schnur befestigt war, doch in ihn war ein Wolfskopf eingeritzt. Ein Satz fiel ihr ein: Als die Asen sahen, dass der Wolf völlig gebunden sei, nahmen sie den Strick am Ende der Kette, der Gelgia hieß, und zogen ihn durch einen großen Felsen, Giöll genannt. Vor dem inneren Auge sah sie einen riesigen Wolf, dessen Maul von einem bösen Schwert aufgesperrt wurde. Mit einem Seil, das so fein war wie eine dünne Schnur, war er an einen großen Felsblock gefesselt. Das Tier wand sich und heulte, konnte sich jedoch nicht befreien. Es war Nacht. Ein Mann kam zu dem Fels. Er war groß und bleich und hatte ein Gestrüpp roter Haare auf dem Kopf. Vergeblich versuchte er, die Fesseln zu lösen. Schließlich nahm der Mann einen Kieselstein, der vor dem Felsblock lag und von der gleichen Gesteinsart war. Als der Morgen dämmerte, schlich er fort und ritzte etwas darauf – den Wolfskopf.
    Die Runen zeigten ihr diese Dinge. Die Runen wussten es.
    Sie lenkte unterdessen das Pferd durch die Bäume. Irgendwann wurde das Tier müde, und sie hielt an und ließ es fressen und ruhen. Der Frühling war schön, der Wald war voller Blumen. Die Ahornbäume, Birken und Eichen trugen schon das volle Blätterkleid. Durch die Laubdächer fiel Sonnengesprenkel, das sich wellte wie Wasser. Die hellen Baumrinden blitzten im Dunkelgrün auf wie silberne Fischleiber. Flechten verwandelten den Stamm einer umgestürzten Eiche in eine goldene Truhe, gelbe und weiße Blumen schienen in den Zweigen zu tanzen, als würden sie von unsichtbaren Strömungen erfasst.
    Plötzlich fielen ihr wieder die Qualen am Strand ein. Alles tat ihr weh, die Haut brannte von den Seilen und war wund vom Salzwasser. Außerdem hatte sie schrecklichen Durst. Aelis sah sich nach Wasser um. In der Nähe gab es keinen Bach, doch im Wald war es feucht, denn es hatte vor Kurzem geregnet. Sie träufelte sich die Feuchtigkeit von den Blättern in den Mund, und als sie in der Erde eine Pfütze fand, beugte sie den Kopf und leckte das Wasser auf wie ein Hund. Sie war viel zu erschöpft, um etwas zu essen zu suchen. Zwischen den Bäumen lauerten schon die Gespenster der Müdigkeit. Sie glaubte, Bewegungen zu sehen und Geräusche zu hören. Voller Angst stieg sie wieder auf und ließ das Pferd im Schritt durch den Wald laufen.
    Die grünen und goldenen Farben verschwammen, schließlich sank sie auf die Mähne des Pferds, fuhr erschrocken wieder hoch und sackte abermals weg. Einen Moment lang glaubte sie, eine Gefahr zu erkennen, die Runen erwachten in ihr, und die Müdigkeit war verflogen. Doch dann tappte das Pferd weiter, und sie fühlte sich wieder sicher und nickte ein. Irgendwann kam sie zu sich. Es war kalt, die niedrig stehende Sonne drang in grellen Bahnen in den Wald ein.
    »Es wird mich verschlingen«, sagte eine schreckliche kehlige Stimme. Auf einmal war sie völlig wach. Vor ihr stand der Wolf, sein Maul war rot vom Blut ihrer Landsleute.
    Sie gab dem Pferd die Hacken, um dem Wesen zu entkommen, doch es half ihr nicht. Der schreckliche Wolf ließ sie nicht entweichen, sondern sprang hoch und riss sie vom Pferd auf den Boden hinab. Als sie auf den Waldboden prallte, war auf einmal die ganze Müdigkeit wieder da, und sie versank in Bewusstlosigkeit.
    Als sie zu sich kam, war das Pferd nirgends zu sehen, und das Wesen hockte auf allen vieren über ihr und stieß ihr die riesige Schnauze ins Gesicht.
    »Es wird mich verschlingen«, sagte es wieder. Die Stimme klang wie ein Hagelschauer, wie das Kratzen eines

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