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Claw Trilogy 01 - Fenrir

Claw Trilogy 01 - Fenrir

Titel: Claw Trilogy 01 - Fenrir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M D Lachlan
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wusste, dass es Magie war, und sie wusste auch, dass es eine Sünde war, doch die Runen erfüllten sie mit Begeisterung. Sie fühlte sich so stark wie noch nie im Leben, auch wenn rings um sie das albtraumhafte Land, in dem sie als kleines Mädchen war, Wirklichkeit wurde. Die Bäume kamen ihr eher vor wie Holzschnitte denn wie Lebewesen, der Himmel war aus Metall und eher Dach als natürliches Firmament, die Grashalme ragten wie Glassplitter empor. Sie fürchtete sich nicht. An diesem Ort zwischen Wirklichkeit und Einbildung, wo die Runen sie führten, fühlte sie sich sicher.
    Angestrengt spähte sie in die Dunkelheit in dem Kieselstein und konnte nicht erkennen, wie tief sie war. Es schien, als passte gerade eben ihre Hand hinein, aber dann war sie so weit wie die Sterne. Die Welt war ein seltsamer, schöner Ort. Der Wolf war ein bezauberndes Wesen und überhaupt nicht erschreckend. Er lag in der Dämmerung zwischen den alten Bäumen wie ein Schatten unter vielen anderen. Sie band ihm den Anhänger um den Hals und legte sich nieder, um an seiner Seite zu schlafen. Sie legte den Kopf auf seine Flanke und fühlte sich in der Wärme des Tiers geborgen.
    Das Wesen wachte nicht auf – nicht an diesem Morgen, nicht am Nachmittag und nicht am Abend, als die Schatten der Bäume nach ihr griffen und die Lichtbalken der untergehenden Sonne nach ihr tasteten. Die Nacht weckte es so wenig wie die Insekten, die ihm um die Ohren summten, und der feuchte Nebel, der sich in der Dämmerung in seinen Pelz setzte, störte ihn nicht. Die Morgensonne war stark, und immer noch rührte sich der Wolf nicht.
    Aelis blieb bei ihm. Ihre Kleidung war zerlumpt, doch sie spürte die Kälte nicht und war nicht einmal besonders hungrig. Die Runen wärmten sie. Sie versank in ihnen und forschte in den dunklen Winkeln ihres Geistes nach ihnen, lernte sie in der kleinen Spanne zu suchen, wenn das Bewusstsein in den Schlaf übergeht, und erlaubte es ihnen, aufzutauchen und sie zu verzehren. Sie war ein Pferd, das unter der Sonne galoppierte, ein Sonnenuntergang, der die Lichtfinger nach dunklen Hügeln ausstreckte, ein Weißdorn voller Stacheln, ein Hagelsturm, der auf das Land prasselte, ein Fluss, der das Land nährte und formte und von ihm geformt und genährt wurde.
    Am Abend saß sie bei dem Wolf und sah den Farben des Waldes zu, wie sie ihren langen Tod starben, wie das Grün, das Rot, das Purpur und das Lila in der grauen Dämmerung zerfielen. Wenn die Nacht kam, wurden neue Farben geboren – das strahlende Silber der Blätter im Mondlicht, das Tintenblau in der Ferne, das weiche malvenfarbene Licht von Dingen, die näher waren. So hatte sie noch keine Nacht gesehen, aber oft geträumt. Sie schlief bei dem Wolf und sah sich als seinen Schutzschild, der ihn vor Schaden bewahrte. Sie wachte auf und wanderte durch den Wald, war manchmal sie selbst und manchmal der Ausdruck einer Rune, blieb vor einer Birke stehen und sah in ihr das Licht des Frühlings brennen.
    Sie konnte nicht sagen, wie lange sie dort blieb und was sie aß. Die Tage wurden länger, aber der Tag in ihrem Geist schien nie zu enden. Sie selbst war der Tag, eine wärmende Kraft, die dem Wald seine Lieder entlockte, ein Wesen, das zum nächtlichen Mond aufblickte und sich in dessen heller Fläche gespiegelt sah. Sie fühlte sich erneuert. Beeren befleckten ihre Finger, sie hatte den Geschmack von Pilzen im Mund. Nur manchmal, wenn sie aus einem Bach trank, spürte sie die Kälte. Dann blickte sie in den Wald und sah die Welt, als sei sie gerade erst erschaffen worden, glänzend und neu, grün und strahlend.
    Die Ersten, die kamen, waren zwei neugierige, ängstliche Jungen. Auf viele Weisen zugleich sah sie die beiden: die vom Schweiß glatte Haut strahlte vor Leben, die Farben, die sie mitbrachten, schillerten wie das Licht einer gläsernen Kette. Sie hörte die beiden wie eine zarte und schwankende Musik, als spielte ein Kind auf einer Flöte. Es war, als folgte ihr Auge einem eigenen Takt und befähigte sie, in vielen Oktaven zu sehen. Aelis erkannte, dass jeder Junge ein Licht in sich trug, das als sanfter Kerzenschein das sterbliche Fleisch erleuchtete.
    Sie kehrten mit vielen Männern zurück, und eine Erinnerung an ihr früheres Selbst, an die Edelfrau Aelis, für die sie das Verderben gewesen wären, erwachte einen Moment. Die innere panische Stimme, die ihr sagte, sie solle weglaufen, war nur ein ferner Lärm, schwach und fast unhörbar. Es waren etwa vierzig – eine

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