Claw Trilogy 01 - Fenrir
die man gestrichen hatte, um den Eindruck von Kacheln zu erwecken. So war es noch unschöner als ein einfaches Bauernhaus aus ungeschmücktem Holz. In den Fenstern hingen Pergamentfetzen. Aelis nahm an, die Normannen hatten die Fenster zerschnitten, als sie eingedrungen waren. Offenbar hielten sie nicht viel von Vorrichtungen, die Wind und Wetter aussperrten. Dies war wirklich nur eine Kleinigkeit, und doch vermittelte es ihr einen starken Eindruck der barbarischen Feinde. Wie konnten die Franken nur gegen einen derartigen Pöbel verlieren? Der Grund, so hatte ihr Bruder erklärt, war der, dass der fette und faule Kaiser das Vermögen seines Volks lieber auf Bestechungsgelder für die Normannen verschwendete, als ihnen wie ein Mann auf dem Schlachtfeld zu begegnen. Odo selbst hatte bewiesen, dass man sie besiegen konnte, und dies war letzten Endes günstiger, als sie zu kaufen. Karl hatte jedoch darauf beharrt, sie zu bezahlen, damit sie weggingen. Ihr Bruder hatte entgegnet, Zahlungen in Gold würden eher dafür sorgen, dass die Normannen zurückkehrten, während ihnen die Vergeltung in Stahl die Lust auf weitere Überfälle austrieb.
Kurz vor dem Haus ließ sie die Maultiere anhalten. Überall waren Krieger unterwegs. Einige standen in voller Rüstung herum, andere saßen beim Würfelspiel, aßen oder schliefen. Dann erinnerte sie sich an den Packen, der ihre Haare enthielt. Was würde der König sagen, wenn er sie sah? Der Nordmann namens Fastarr hob die Hand und wandte sich an die Krieger. Leshii, der ihre Furcht bemerkte, übersetzte flüsternd.
»Leute, dies ist der König. Vergesst nicht, dass ich euer erwählter Sprecher bin. Also überlasst das Reden mir. Ich habe mit ihm die Abmachung getroffen, und er will nur mit mir reden. Von euch will ich kein Wort hören, ist das klar?«
»Und was ist, wenn er uns direkt fragt, was vorgefallen ist?«
»Dann sagt ihr einfach, ihr seid mir gefolgt. Auf weitere Fragen antwortet ihr, dass ihr es nicht wisst, und dass ich mehr Übersicht habe als ihr.«
»Und wenn er mich nach meinem Schwanz fragt?« Ofaeti kratzte sich ausgiebig. Leshii übersetzte. Anscheinend fand er jede Bemerkung über das Geschlecht und den Sitz der Verderbnis des Leibes äußerst belustigend.
»Nun, auch den kann ich besser sehen als du. Du hast ihn ja seit mindestens fünfzehn Jahren nicht mehr erblickt, du fetter Sack.«
Die Männer lachten, doch Fastarr brachte sie schnell wieder zum Schweigen.
»Ich meine es ernst. Reißt keine Witze. Sprecht nur, wenn ihr angesprochen werdet. Lasst uns hineingehen und so schnell wie möglich wieder verschwinden. Holt den Mönch.«
Aelis stand da und schaute zu, wie sie Beichtvater Jehan nach drinnen schleppten. Leshii beschäftigte sich unterdessen mit den Maultieren. Die Nordmänner hatten ihn völlig vergessen, seit der Ruf des Königs sie aufgeschreckt hatte. Aelis fror, und im Geiste hörte sie wieder die Stimme, das Krächzen eines Raben.
Sie blickte den Abhang zum Fluss hinunter, zu dem beeindruckenden, aber angeschlagenen Turm auf der Brücke. Wenn sie versuchte, dort hinüberzuschwimmen, würden ihre eigenen Leute sie erschießen, ehe sie auch nur in Rufweite wäre. Der einzige Ausweg war Neustrien im Norden, das jedoch größtenteils unter normannischer Herrschaft stand. Sie musste den richtigen Moment für die Flucht abpassen. Außerdem war es ihre Christenpflicht, so gut es ging den Heiligen zu beschützen.
Sie war offenbar sehr gefragt. Wolfsmänner, Raben, die Dänen, alle wollten etwas von ihr. Im Augenblick war es besser, den stummen dummen Jungen zu spielen.
Sie kraulte das führende Maultier zwischen den Ohren, worauf es sie mit dem Maul stupste. Wenigstens einen Verbündeten hatte sie hier gefunden.
10
Geschäfte und Drohungen
J ehan roch Feuer und gebratenes Fleisch, das mit Kiefernnadeln gewürzt war. Auf dem Boden lag frisch geschnittenes Schilf. Im Haus war das Summen von Unterhaltungen zu hören, die abbrachen, sobald ihn die Krieger hineinschleppten.
»Edler Siegfried«, sagte Fastarr. »Wir haben diesen Mann gefangen. Er ist einer ihrer Götter, und wir bringen ihn zu dir, um dir eine Freude zu bereiten.«
»Habt ihr das Mädchen geschnappt?«
»Nein, Herr.«
»Warum nicht?«
»Sie ist uns in der Dunkelheit am Südufer entwischt.«
»Warum seid ihr dann nicht dort? Es wird bald hell.«
»Wir haben sie aus den Augen verloren, Herr, und dieser Mann ist ein so wertvoller Gefangener, dass wir ihn gleich zu dir bringen
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