Claw Trilogy 01 - Fenrir
im Süden und Osten, Nowgorod und Kiew, waren winzig und von Barbaren bevölkert. Er wollte sie einnehmen und Ingvar die Aufgabe übertragen, sie zu regieren. Zuerst würde er Nowgorod zur Hauptstadt machen, und wenn er bereit war, Kiew anzugreifen, würde er die Residenz verlagern. Ingvar mochte seine Zeit damit verbringen, die wilden Petschenegen zu bändigen und die Vorstöße der Griechen aus Miklagard abzuwehren. Wenn der Junge versagte, womit durchaus zu rechnen war, würde dessen Autorität schwinden, und Helgi konnte eingreifen und mit der Unterstützung von Ingvars eigenen Verwandten die Zügel in die Hand nehmen. Vielleicht kam Ingvar beim Kampf gegen die verrückten Südländer sogar um.
Helgi hätte damit keineswegs den Eid gebrochen, den Jungen zu beschützen und aufzuziehen. Vielmehr hätte er ihn sogar mit größtem Eifer erfüllt, wenn er den Burschen schon mit acht Jahren als Herrscher einsetzte.
» Khagan. «
Es war einer seiner druzhina , ein drahtiger kleiner Mann, der bei Zeremonien gern die volle Rüstung trug, zu der auch ein metallener Gesichtsschutz gehörte, der nur die Augen freiließ. Auf dem Kopf saß ein mit Gold geschmückter Helm, und an der Seite trug er ein gutes Schwert.
»Ja, mein Freund.« So sprach ein slawischer khagan gewöhnlich mit seinem Leibwächter. Die Nordmänner hatten diesen Brauch gern übernommen.
»Die Priesterin bittet dich, sie aufzusuchen.«
»Aus welchem Grund?«
»Du hast reiche Opfer dargebracht, du bist ein Freund der Wölfe und bereitest ein großes Fest vor. Die Priesterin des Svarog, der den Himmel und das Blau des Himmels beherrscht, möchte dich nun als Gast zu sich einladen.«
Helgi schnitt eine Grimasse. Die Vorstellung, mit dieser Frau zu schlafen, behagte ihm nicht, aber es war möglicherweise vonnöten. Die Slawen kannten alle möglichen Rituale, denen sich ihre Könige beugen mussten. Angenehm war es, Mädchen zu entjungfern, um das Land zu segnen, aber sich zu einer alten, ungewaschenen und verrückten Priesterin des Svarog zu legen, war womöglich etwas zu viel des Guten.
»Sie will dir auch eine Prophezeiung gewähren.«
Helgi lachte. »Hoffentlich darf ich dabei die Hosen anbehalten.«
»Soweit ich weiß, soll es so sein, Herr. Du sollst nur zu ihr gehen und ihr Orakel sehen.«
»Na gut, na gut. Unsere Opfer dürften ja eine schöne Weissagung wert sein. Die Hexe sollte mit dem, was ich ihr geschenkt habe, recht glücklich sein.«
Den Schauplatz des Rituals würde er sein Lebtag nicht mehr vergessen. Es war eine dunkle Hütte, das Feuer loderte dicht vor ihm, betäubender Rauch stieg von den Kräutern auf, welche die Hexe hineingeworfen hatte. Üble Dinge brannten und verströmten den Geruch von Pech. Er wusste nicht, ob er nur träumte, dass man die Toten hereinbrachte und sitzend neben ihm aufbaute.
Die Priesterin hatte verkündet, Svarog sei ein schwer zu durchschauender Gott. Er galt als Herr der klaren Luft und der Sonne, war aber auch der Hüter der Sonne in der Unterwelt, wenn sie nachts unterging. Svarog kannte die dunklen Orte der Erde und die Reiche der dunklen Götter, und an diese Seite seines Wesens wandte sich das Ritual der Prophezeiung.
Als sie die Kräuter ins Feuer geworfen und die Anrufungen gemurmelt hatte, enthüllte sie ihr Orakel. Es war ein geschnitztes Stück Holz, auf das jemand, linkisch wie ein Kind, ein Gesicht gemalt hatte.
Seine Gedanken schweiften ab. Als er aus der Benommenheit erwachte, waren seine Gliedmaßen steif, und ihm war viel zu warm. Die toten Männer umringten ihn, die aufgedunsenen Köpfe hingen wie dunkle Beeren vor dem Feuer der Hexe. In dem Raum war es heiß wie in einem Backofen. Helgi wollte aufstehen und gehen, doch er musste sein Königreich segnen, indem er mit einer günstigen Prophezeiung zum Vorschein kam.
Er hatte keine Ahnung gehabt, dass das Ritual so anstrengend werden sollte. Er hatte angenommen, er ginge hinein, empfinge ein paar schöne Worte von der Priesterin und käme wieder heraus. Dem war nicht so. Er selbst sollte die Prophezeiung finden, er selbst sollte das Tor sein, durch das die Magie hindurchging, erklärte ihm die Hexe. Und um das zu erreichen, musste er leiden.
Noch mehr Holzblöcke und Kräuter kamen ins Feuer. Er wollte ihr sagen, er habe schon genug gelitten, und man müsse Königen gehorchen, statt sie zu foltern, doch der Rauch der Kräuter raubte ihm die Sprache. Waren die Toten noch da? In einem Moment schien es ihm so, im nächsten nicht. Helgi
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