Clean Team
hat man sofort die Antwort parat.
Wie ich in diesem Fall.
- Mann, ich weiß es nicht. Keine Ahnung.
Er stieß mir den Lauf fest gegen das Kinn.
- Du lebst noch, damit du die Sauerei beseitigen kannst, wenn ich mit den beiden hier fertig bin. Weil du mich verarscht hast.
Plötzlich ertönte Musik, und Waylon Jennings begann »Lonesome, On’ry and Mean« zu singen.
Harris hörte ein paar Takte lang zu.
- Komm mit.
Er bewegte sich rückwärts auf den Tisch zu, und ich folgte ihm, den Colt immer noch unter meinem Kinn und inständig betend, dass er nicht stolperte. Er tastete auf dem Tisch nach seinem Handy, klappte es auf, und der Song verstummte.
- Hallo?
Harris fuhr sich hinter den zusammengepressten Lippen mit der Zunge über die Zähne.
- Und?
Er lauschte eine Weile und nickte dann.
- Bis gleich.
Er ließ das Handy zuschnappen.
- Hm.
Der kalte Lauf löste sich von meinem Kinn.
- Zurück.
Ich folgte seinem Befehl.
Er deutete aufs Bett.
Ich setzte mich.
- Also, er hat die Blechkiste gefunden, bereit zum Abmarsch. Und er ist auf dem Weg hierher. Eine Wendung, mit der ich, ehrlich gesagt, nicht mehr gerechnet hätte.
Er hob den Colt wieder an.
- Nicht, dass sich dadurch für euch großartig was ändert.
In diesem Moment flog die Tür auf, Mr. König der Landstraße kam hereingestürzt und klatschte gegen die Wand neben der Badezimmertür, wo sein misshandeltes Gesicht einen blutigen Streifen hinterließ. Harris wirbelte herum und richtete die Waffe auf seinen Partner.
- Was zum Teufel …?
Mr. König der Landstraße rutschte blutüberströmt an der Wand herab, hob einen Arm und zeigte auf die Tür. Harris drehte sich weiter um die eigene Achse, die Waffe im Anschlag, bereit der Gefahr zu begegnen.
Aber als er die Drehung vollendet hatte und wieder in Richtung Tür zielte, war Po Sin bereits im Raum. Die Pistole, die gestern bei Gabe so riesig ausgesehen hatte, wirkte in seiner Hand wie ein Spielzeug.
- Fickende Hölle.
Harris bewegte sich nicht.
Po Sin machte einen weiteren Schritt in den Raum.
- Fickende Hölle, ziel nicht auf mich.
Harris rührte sich nicht.
Po Sin streckte einen Arm aus und warf die Tür zu.
- Ich bin ein verlockendes Ziel, du Bastard, aber ziel nicht auf mich.
Harris rührte sich nicht.
Doch dann beherzigte er Po Sins Empfehlung und zielte nicht länger auf ihn. Stattdessen fuhr er herum und richtete seinen Colt auf Soledad am Boden.
- Wenn irgendjemand auch nur einen Mucks macht, passiert das Naheliegende.
Po Sin schob die untere Lippe über die obere.
- Fickende Hölle.
In Wahrheit geht es nicht spurlos an einem vorüber, wenn man etwas wirklich Schreckliches erlebt.
In Wahrheit ist es zum Kotzen.
Es lässt einen nicht kalt, wenn einem kleinen Kind die Hälfte des Gesichts weggeschossen wird und der größte Teil davon auf den eigenen Kleidern landet, während man sich über das kleine Mädchens wirft, weil ein Teil des eigenen Hirns registriert, dass sie von einer Kugel getroffen wurde, und man plötzlich mehr als bereit ist, die nächste Kugel mit dem eigenen Körper abzufangen und meinetwegen auch durch sie zu sterben, wenn dadurch nur das Kind nicht weiter verletzt wird.
Und die Wahrheit ist, es tut verdammt weh, wenn die nächste Kugel ausbleibt.
Man grübelt viel darüber nach. Selbst wenn man irgendwann nicht mehr über die zweite Kugel nachdenkt, die möglicherweise gekommen wäre, und gegen die man etwas hätte unternehmen können, beschäftigt sie einen trotzdem
unaufhörlich. In Wahrheit hat nichts anderes mehr im Kopf Platz.
Um das normale Alltagsleben zu bewältigen, um weiter atmen, essen und trinken zu können, errichtet ein Teil des Hirns so etwas wie Fassaden anstelle der wirklichen Welt. Detailgetreue Imitationen, die die Wirklichkeit nachahmen, so wie sie war, bevor das Gesicht eines kleinen Mädchens auf den eigenen Kleidern verschmiert wurde. Eine künstliche Welt, handwerklich so perfekt ausgeführt wie die Westernstädte auf den Geländen der Filmstudios. Kulissen der Normalität, die einen weiter gehen, sprechen, atmen und essen lassen.
Und weil man nur noch diese Hyperrealität wahrnimmt, die man jetzt bewohnt, scheint einem das Verhalten aller anderen um einen herum völlig unangemessen.
Ich bin okay, Mann. Aber was, verdammt nochmal, ist nur mit den Leuten los? Warum verhalten die sich alle so
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