Clean Team

schloss sich um Po Sins Finger, drückte ihn und ließ wieder los.
    Po Sin äugte über die Schulter zu uns.
     
    - So, schon viel besser.
     
     
    - Heute war ein schlechter Tag.
     
    Ich begleitete Lei zu ihrem Wagen.
     
    - Normalerweise ist er gesprächiger. Aber wenn irgendwas Unvorhergesehenes geschieht oder etwas verloren geht, wirft ihn das völlig aus der Bahn. Sein Verstand kann sich dann auf nichts anderes mehr konzentrieren. Gefühle verwirren ihn zutiefst, und er muss sich sehr bemühen, ihre Bedeutung zu begreifen, so wie man es ihm beigebracht hat. Wenn ihm das nicht gelingt, dann ängstigt und verstört ihn das. Er zieht sich zurück. Außerdem hat er Probleme mit Körperkontakt. Zufälligem Körperkontakt. Es ist schwer zu erklären. Er liebt es, wie in einem Sandwich gedrückt zu werden. Wir haben diese
Matten zuhause, zwischen die wir ihn legen, und dann üben wir Druck auf seinen gesamten Körper aus. Irgendwie tröstet ihn das und er kann dabei besser nachdenken. Aber im Allgemeinen braucht er immer eine Aufgabe, auf die er sich konzentrieren kann. Seine Legos.
     
    Sie öffnete die Fahrertür ihres winzigen gelben Scion.
     
    - Diese Bausätze. Diese unglaublich komplizierten Städte, Züge, Flugzeuge. Er öffnet die Schachtel, guckt kurz auf die Anleitung und baut sie dann ohne einen einzigen Fehler zusammen. Man kann tausend Teile wild durcheinander würfeln, eines davon herausziehen und es ihm zeigen, und er weiß sofort, aus welchem Bausatz es stammt, an welche Stelle es gehört, ja sogar auf welcher Seite der Anleitung es steht und wie die Codenummer dafür lautet. Seine Freunde spüren zwar, dass er anders ist, aber in ihrem Alter finden sie es vor allem cool, dass er so viel über Legos weiß.
     
    Sie beschirmte die Augen gegen die Sonne und blickte lächelnd zu mir auf.
     
    - Sie kommen mit sämtlichen Legoproblemen zu ihm. Er ist so was wie ihr Schamane. Sie schätzen ihn wegen seiner Andersartigkeit. Zumindest im Moment noch.
     
    Ein langer Seufzer.
     
    - Wir werden sehen, wie sie in ein paar Jahren damit umgehen.
    - Äh, Lei.
    - Ja?
    - Da wir gerade von Körperkontakt sprechen, könnte ich vielleicht meine Hand zurückhaben?
     
    Sie blickte auf die Hand, die sie seit unserer Begrüßung nicht mehr losgelassen hatte, lachte und löste ihren Griff.
     
    - Tut mir leid. Der arme Yong hasst Berührungen, und seine Mutter ist so versessen darauf. Ich muss mich immer davon abhalten, nach seiner Hand zu fassen oder ihm den Nacken zu massieren. Und manchmal ist mein Verlangen danach so groß, dass ich mich dabei ertappe, wie ich plötzlich jemandem die Wange streichle, den ich erst fünf Minuten kenne.
     
    Sie hob die Schultern, ließ sie wieder fallen und stieg in ihren Wagen.
     
    - Ich bin schon sämtlichen Bedienungen in unserem Ralph’s zu dicht auf den Leib gerückt. Und die Kassierer in der Bank können froh sein, dass sie hinter diesen dicken Plexiglasscheiben sitzen, sonst würde ich sie jedes Mal umarmen, wenn ich dort was zu erledigen habe.
     
    Ich schloss die Wagentür für sie, und sie kurbelte das Fenster herunter.
     
    - War nett, Sie kennenzulernen, Web. Schön, dass es endlich mal geklappt hat. Als Sie letztes Jahr nicht bei der Gedenkfeier aufgetaucht sind, war ich sehr enttäuscht. Ich wollte mich eigentlich bei Ihnen bedanken. Und danach wollte ich Ihre Adresse rausfinden und Sie anrufen, aber dann hat Po Sin gesagt, er hätte Sie im Laden Ihres Freundes getroffen. Ich hab damit gerechnet, dass er sie früher oder später mal zum Abendessen einlädt oder so
was. Aber dann ist so viel Zeit verstrichen. Ich bin sehr nachlässig gewesen und hab schlicht und einfach vergessen, dass ich mich bei Ihnen bedanken wollte. Dafür, dass sie bei Xing geblieben sind. Sie aus dem Bus geholt haben. Xings Lehrer hat uns erzählt, unsere Kleine hätte sich weder von ihm noch von der Polizei unter dem Sitz rausziehen lassen. Und ich kann mir vorstellen, wie … aufgeregt ist so ein blödes Wort … na ja, wie Ihnen in diesem Moment zumute gewesen sein muss. Trotzdem sind Sie zurück in den Bus und haben geholfen, unsere Tochter herauszuholen, haben sich neben sie gesetzt und sie beruhigt. Das war was ganz Besonderes. Es hat uns eine Menge bedeutet, als wir davon erfahren haben.
     
    Sie streckte ihre Hand aus dem Fenster, packte die meine und drückte sie.
     
    - Also. Jetzt bin ich das losgeworden, ohne in Tränen auszubrechen, und Sie sind nicht mal davongelaufen.
     
    Sie gab