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Clemens Gleich

Clemens Gleich

Titel: Clemens Gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pikmo und Jianna (German Edition)
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Sehern mit Sicherheit wusste, dass das Gesuchte dort unten war, bewegte er sich seit Stunden langsam segelnd vorwärts wie eine Schäfchenwolke über Schäfchenwiesen, systematisch konzentriert in Quadranten suchend. Er dachte an den großen Plan, der sich so gut angehört hatte, so wie etwas, das praktisch von alleine liefe. Aus seiner langen Lebenspraxis hätte er schon wissen müssen, dass es niemals so war, schimpfte er sich selbst. Wenn er die Ziele nicht fand, waren sie für den Plan vielleicht schon bald verloren, weil tot. Und selbst wenn er sie fand, war er sich bei der Loyalität Gramps mittlerweile alles andere als sicher. Er hätte eleganter mit dem Hauptmann interagieren sollen, seine Emotionen besser im Griff haben. Er unterbrach seine Selbstkasteiung. War da unten nicht etwas gewesen? Er spulte die letzten Aufzeichnungen des Visiers zurück. Tatsache. Da unten war tatsächlich das Tor, dessen Existenz er – Seher hin oder her – schon begonnen hatte anzuzweifeln. Er landete. Er befahl per Briefdämon Hauptmann Gramp und Major Palankin an seine Koordinaten. Und er wunderte sich. Keine Aufzeichnung deckte es, doch glaubte er, dass er in unmittelbarer Nähe des Tors jemanden in roten Roben gesehen hatte, nur für den Bruchteil eines Augenblicks. Auf den üblichen Komm-Kanälen antwortete niemand, doch Shardid traute seinen Augen. Die kleine Gestalt, diese geduckten, aber noch geschmeidigen Bewegungen, das alles erinnerte ihn doch frappierend an den alten Laocoon. War der nicht tot?
    Hauptmann Gramp stand Major Palankin gegenüber. Zwischen beiden lag ein sehr eindeutig formulierter Befehl von Shardid zu eindeutigen Koordinaten mit eindeutiger Bewaffnung: Gramp solle das Schlürfergewehr mitbringen. Auf dem Tisch lag jedoch noch eine andere Mitteilung, diese vom behaupteten Laocoon. Der wiederum warnte sie ausdrücklich vor Shardid. Der Briefschreiber machte den Eindruck, als sei ihm ein schnell erschossener Shardid am liebsten, aber weil das schwer verlangbar war, bat er nur darum, zugunsten des von ihm gelieferten Schwingungsprojektors dieses perverse Gewehr im Schrank zu lassen. Laocoon schrieb dann in einigen Sätzen davon, dass Shardid diesen Krieg durch seine Manipulationen gewinnen wolle. Magnus Palankin erschien auch diese Mitteilung sehr phantasievoll. Er betrachtete sie mit verschiedenen Funktionen seiner seltsamen Ausrüstung, ob sie vielleicht noch einen geheimen Part enthielt, der mehr Aufschluss gab. Dabei fand er etwas Unerwartetes: die Wahrheit.
    "Die Wahrheit?", fragte Gramp ungläubig.
    "Vereinfacht und etwas theatralisch ausgedrückt, versteht sich", sagte Palankin. "Dieser Briefdämon enthält eine sehr aufwendige, teure und komplexe Äthermaschine, die es erlauben soll, den Wahrheitsgehalt des Vermittelten zu prüfen. Man verwendet sie gelegentlich in der militärischen Kommunikation."
    "Ist das wirklich sicher?"
    "Es ist ziemlich sicher, ja. Nicht vollkommen, aber ziemlich. Die Schwachstelle ist ohnehin meistens die Sprache, die selten wirklich eindeutig ist." Palankin schwieg kurz. "Aber diese Maschine ist vor allem so teuer, dass es ein eindeutiges Signal ist – ein Signal, das seine Aufrichtigkeit untermauern soll."
    "Was bezweckt der alte Mann nur?", fragte Gramp, der am liebsten alle Stimmen würgen wollte, bis sie offen mit ihm redeten.
    "Ich weiß es nicht", antwortete Palankin. "Vielleicht ist er die gute Seite, die verzweifelt danach trachtet, dass wir ihr Glauben schenken."
    "Und ich bin ein blonder Engel, der Geschenke und Küsschen bringt", knurrte der unrasierte Hauptmann.
    "Mir scheint es auch seltsam", sagte Palankin. "Vielleicht bildet er sich einfach etwas auf seine zweideutigen Formulierungen ein und ist in Wahrheit der Schlimmste. Wahrscheinlich liegt die echte Wahrheit irgendwo dazwischen."
    "Hmpf!", machte Gramp. Er war ratlos. Um sich für eine Seite zu entscheiden, fehlten ihm Informationen, fehlte ihm jetzt fast jegliche emotionale Orientierung.
    Die kürzestmögliche Zeit später saßen die beiden in der Libelle, die in kürzestmöglicher Zeit durch das sich öffnende Dach über den fahrenden Zug aufstieg. Sie fiel im Fahrtwind eine halbe Wagenlänge zurück, dann schoss sie in einem schrägen Vektor in Richtung des vereinbarten Treffpunkts mit dem Luftschiff davon. Noch bevor sie dort fertig gedockt hatten, stand Hauptmann Gramps Entscheidung fest. Es war zu verwirrend, sich für eine Seite in diesem für ihn undurchschaubaren Spiel zu entscheiden, deshalb

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