Clemens Gleich
wählte er seine eigene Seite. Er lief in sein Quartier. Das schreckliche Schlürfergewehr blieb im Schrank, was seine Laune sofort etwas hob, und dasselbe galt für den auf wahrscheinlich finsteren Wegen erworbenen Projektor von Laocoon. Während Magnus Palankin also das Luftschiff vorbereitete, machte er seine gute alte TSS-13 fertig, das imperiale Standardsturmgewehr: sicherlich nicht so durchschlagskräftig wie die ihm angebotenen Alternativen, aber ehrlicher, weil seines. Daran hatte bestimmt niemand herumgefummelt, was, zugegeben, auch daran lag, dass es sich gar nicht lohnte. Wenn man sich allerdings auf etwas verlassen wollte in unsicheren Zeiten, dann war dieses Gewehr sicherlich nicht die schlechteste Wahl. Er erinnerte sich daran, wie er einmal in einer Notlage auf dem Schlachtfeld kleine Steine durch den Rohrbeschleuniger seiner guten alten TSS, seiner "Tessie" verschossen hatte, weil ihm die Munition ausgegangen war – und mit welcher anderen Waffe war so etwas überhaupt möglich? Gramp jedenfalls kannte keine. Es hatte den Lauf ruiniert, aber seine Haut gerettet. Er prüfte die Funktion der Waffe – perfekt. Das warme Gefühl einer richtigen Entscheidung durchströmte ihn. Er würde diesen Fall auf seine Art zu Ende bringen.
Kapitel 11
Bittere Enden
Pi kann nicht mehr ~ Respekt vor dem Alter ~ Die Zukunft der Kriegsführung ~ Die entscheidende Schlacht ~ Pi entscheidet über sein Ende ~ Eine Umarmung mit gebrochenen Knochen ~ Die Gutgenugen
Pi warf einen Kannerdier in eine dunkle Ecke, wo er mit einem befriedigend stumpfen Klatschen landete. Es war bereits der Fünfte heute, der genau das tat.
"Das hilft uns nicht wirklich weiter", kommentierte Telemann trocken, "aber ich sehe es immer wieder sehr gerne." Die Kommunikationshürden hatten sich als nervlich unüberwindbar herausgestellt. Jedes Gespräch mit jeder Person verursachte in Pis Kopf ein Gefühl, als schrie jedes Neuron wild um sich, zappelnd und gegen den Schädel trommelnd.
"Ich kann nicht mehr", gestand Pi. "Navigator, mein Navigator, ich kann nicht mehr. Meine Nerven sind am Ende. Was wissen wir bis jetzt?" Telemann ließ sich Zeit mit einer Antwort. Er faltete eine Karte um, deren Faltschema offenbar mit der Intention konstruiert war, ein gesundes Gehirn in ein wahnsinniges Wrack zu verwandeln. Viele der Faltungen schienen Telemann geometrisch, ja: physikalisch gar nicht möglich zu sein. Falsche Geometrie, dachte er bei sich, ungewiss, wer diesen Begriff einmal geprägt hatte. Falsche Geometrie, aber das hier, dieser Fitzel auf diesem Fitzel, das deckte sich doch mit etwas, das er im Flug gesehen hatte. Es war eine als tabu markierte Fläche, an die sich Telemann erinnerte, weil eine Lichtung an ihrem Rand durch Fällen der Bäume offen gehalten wurde. Dort musste der Ausgang sein. Sie brauchten keine Aussagen mehr. Er warf die Karte auf den Boden, wo sie wie in Krämpfen vor sich hinzuckte. Dann endlich antwortete er:
"Wir wissen alles, was wir wissen müssen. Gehen wir." Ohne sich noch unnötig umzudrehen, verließen sie auf Pakos Rücken die Stadt.
Sie landeten in einem Irgendwo, das keine Anhaltspunkte dafür aufwies, das richtige Irgendwo zu sein. Trotzdem sprang Pi ab, noch bevor Pakos Füße die Erde berührten. Er rannte hin und her, er drehte sich einmal ringsum, vor allem jedoch sog er abgehackt die Luft in Fetzen ein. Als sich der Wind der Drachenschwingen noch kaum gelegt hatte, stieg ihm schon ein Faden in die Nase, der seinen Magen rumoren ließ. Pfuarg! Es stank immer noch nach ihm ! Er vergaß augenblicklich alles Andere. Er vergaß die Hure, er vergaß den Drachen, er vergaß die Zeit, er löste sich auf in einer Jagd, die nach kommendem Blut schmeckte. Er rannte los. Telemann arrangierte pflichtschuldig das Gefolge. Selbst über das Rauschen von Pakos Schwingen hörte er Pis Geschrei, das triumphierende Mantra eines Irren:
"Ich hab dich, du Bastard! Ich hab dich! Und du wirst dir noch wünschen, ich und du und alle wären nie geboren worden! Ha! Hahaha! Ich hab dich! Ich krieg euch..." Eigentlich sollte sich Telemann freuen, dachte der. Doch diese Situation fühlte sich noch falscher an als die Karte. Die bedrückende Ahnung eines anrollenden Disasters legte sich auf sein Gemüt, die schauerliche Gewissheit, dass sie auf einer lawinenartigen Fehlerkaskade ritten, die direkt in mindestens ein Verderben führte. Er hoffte nur, dass es nicht seines war.
"Ich habe euch von Anfang an gesagt, dass es hier keine
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