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Clemens Gleich

Clemens Gleich

Titel: Clemens Gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pikmo und Jianna (German Edition)
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von dem sie ohnehin keine Ahnung hatten. Dieser ganz konkrete Container voller Leichen jedenfalls kam nie in einem Paradies über den Wolken an, sondern auf dem Dach des Industriekomplexes. Baumstammdicke Hydraulikarme leerten den Inhalt behutsam auf ein breites Förderband, das die Körper auf die andere Seite des Daches zu einem großen Schlund in einer Wand beförderte, der von zuckenden, bartenartigen Fühlern ausgefüllt war. Sie tasteten mit fiebrigem Eifer alles ab, was da unter ihnen entlanglief. Durch ihre schiere Masse klang das, als flüstere dieser riesige Mund unverständliche Obszönitäten. Immer wieder schnappten hervorschießende Fangwerkzeuge Fremdkörper wie nachlässig mitentsorgte Maschinenteile oder sogar die kleinsten Zigarettenstummel aus der Biomasse. Das Dach über diesem Bereich war noch nicht fertig konstruiert. In dem von beiden Seiten aufwachsenden Metallgeflechten wuselten die Schweißertermiten durcheinander und fügten unablässig Stückchen um Stückchen hinzu. Ab und zu kam die Sonne heraus, zog sich ob des Anblicks jedoch jedesmal schnell wieder hinter ihre Wolken zurück.
    Der kleine blaue Lebendige lag schnaufend zwischen zwei massigen Körpern, seinen Bruder immer noch fest im Griff. Er starrte einfach nur den Himmel an. Er weinte nicht. Es hätte allen Grund dazu gegeben: Er war über und über mit Blut und Schleim besudelt, er war beim Schütten derb gequetscht worden, er war festgeklemmt unter einem feisten Bären und er vernahm ein klickerndes Flüstern, das ihn bedrohte, das ihn lästerte. Nur konnte er schlichtweg nicht weinen, selbst wenn er geahnt hätte, was das überhaupt ist. Er hatte gerade dasselbe Gefühl, das andere mit "Oh, Scheiße!" in Worte fassen, aber sein Wortschatztraining war noch nicht abgeschlossen gewesen, als der zuständige Techniker ihn mit der metaphorischen Klospülung überhaupt erst in diese Situation entsorgt hatte. Sein kurzes Leben gab ihm weiterhin keinen Anlass zur Hoffnung. Er hatte auch noch nie Zeit gehabt, nachzudenken. Dennoch versuchte er, die Situation logisch zu analysieren. Sie kam ihm ziemlich hoffnungslos vor. Er prüfte seine Fluchtmöglichkeiten. Er hatte keine. Er fing wieder von vorne an mit dem Analysieren. Nicht, weil er sich noch irgendetwas davon erhoffte, nein, ihm fiel einfach nichts Besseres ein. Irgendwas musste man ja machen, bevor man einen schrecklichen Tod starb. Er genehmigte sich einen Bissen und fragte sich, ob er ein bisschen Panik zulassen sollte. Nur um zu sehen, wie das so ist. Er blinzelte gerade in die wiedererschienene Sonne, als ein Schatten auf ihn fiel.
    Ein seltsames Gesicht sah fasziniert zu, wie der kleine blaue Klon sich im Unrat wand. Es war recht schmal, aber der Wahnsinn stand in riesigen Lettern darin: die riesigen brennenden Augen, der verzerrt grinsende Mund, die tanzenden Brauen. Mit langen Fingern breitete der Mann ein schillerndes Seidentuch über den Klon aus, sodass dieser sich weder mit Krallen noch mit Zähnen wehren konnte, als er den Bären anhob und seinen Fund darunter hervorzog. Flugs verschnürte er das Bündel. Er schien zufrieden mit sich zu sein. Den eingewickelten Klon ließ er fallen und trat kräftig danach. Ein ersticktes Ächzen erklang. Er schien nun noch zufriedener zu sein. Der zweite Klon sah ihn aus leeren, toten Augen an. Es war dem Körper sehr deutlich anzusehen, dass dieser erst vor kurzer Zeit so zugerichtet worden war, und egal, ob dieser zu diesem Zeitpunkt schon tot war oder nicht, rührte das die verdrehte Emotionswelt des Mannes derart, dass er liebevoll den Kopf abtrennte. Mit seinen Errungenschaften machte sich der Irre lachend aus dem Staub und auf in eine andere Welt, näher als die Rückseite eines Briefs, ferner als die Enden der Welt.

Kapitel 3

Die Krankheit Liebe

    Ein Buckliger, ein Hüne ~ Ein entdeckter Einbruch ~ Künstliche Kakerlaken ~ Ein liebeskranker Freund zeichnet ~ Zwei ungleiche Klone ~ Der Auftrag des Hauptmanns ~ Eine unangenehme Entdeckung
    Romala. Tiefste Nacht. Ein Hüne in Begleitung einer kleinen buckligen Gestalt eilte durch spärlich erleuchtete Gassen. Sie hasteten zwischen riesigen, stinkenden Müllbehältern vorbei, die rechts und links von ihnen die Gemäuer säumten. Aus einem ragte das kleine weiße Beinchen eines Kindes heraus, dessen Eltern vielleicht zu arm für einen würdigeren Tod waren. Die bucklige Gestalt schritt vor diesen beklemmenden Containern noch schneller aus und zog den Hünen hinter sich her. Am Ende

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