Clemens Gleich

sicher auftreten und schnell wedeln oder so ähnlich. Diese Wache war jedoch keine aus einem Roman, zumindest nicht aus demselben, den Salvin gelesen hatte, deshalb hielt sie Salvins Arm fest, um einen langen, prüfenden Blick auf das Dokument zu werfen. Salvin sah die Wache an. Helwer sah Salvin an. Felistra sah die Decke an. Jason sah Felistra an. Die Wache sah das Papier an. Nach einer vom Adrenalin in eine Ewigkeit verzerrte Zeitspanne nickte der Mann und öffnete den vor ihm stehenden Gestalten mit sichtlichem Widerwillen die Tür. Helwer war begeistert. Gut, dass sie Salvin getroffen hatten! Lachend lief er durch die Tür in das kleine Treppenhaus dahinter. Unterdessen starrte Salvin ungläubig auf seinen Angestelltenausweis. Es war nicht sein Angestelltenausweis. Stattdessen sah es aus wie ein gültiger militärischer Passierschein für diesen Zug. Wie kam sowas in seinen Geldbeutel? Der Rest der FAK-Truppe klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Salvin steckte den Passierschein einfach weg. Der Gönner würde sich schon noch zeigen. Vielleicht ein Leser, ein stiller Freund des Echos aus den Reihen der Wache.
    Der Passierschein öffnete auch alle übrigen Türen und Tore, sodass Helwer bald im Frachtraum bei den Transportern stand. Er hatte die Hoffnung darauf vorher nach der fünfzehnten Sackgasse langsam aufgegeben. Die Fahrzeuge erinnerten entfernt an im Dunklen lebende Insektenlarven, denn sie waren weiß und geschwollen bauchig. Vorne saß als Kopf ein kugelförmiges Cockpit für Fahrer und Wachen, das über ein kleines Mittelstück mit den Radaufhängungen unten und dem größten Teil des Fahrzeugs hinten verbunden war: einem bauchigen Tank, an dem in regelmäßigen Abständen konvexe, ovale Platten saßen, hinter jeder davon ein Biotank mit einem Felligen darin. Für längere Transporte wurden die biotechnisch erzeugten Sklaven fixiert, wie Gurken in eine Nährlösung eingelegt und in einen Winterschlaf versetzt. Die Flüssigkeit atmeten sie dabei sogar. Im Rückgrat der Transporter befanden sich Versorgungsmaschinen für die Tanks, die auf sich gestellt nur eine recht begrenzte Haltbarkeit hatten, bevor die eingelegte Ware Schaden nahm.
    In einer Prozession des Staunens stakten die Aktivisten an den Lastfahrzeugen vorbei. Sie kannten die Vehikel vom Sehen, doch so nah waren sie ihnen noch nie gewesen. Ein Schrei riss sie aus ihrer Versunkenheit:
    "Hey!", schrie ein Wächter, der bereits auf sie zurannte. Er sah ärgerlich aus. "Was verdammt habt ihr hier zu suchen?!"
    "Wir haben jedes Recht, hier zu sein", sagte Salvin mit Selbstbewusstsein. Er streckte den Passierschein hin, den die Wache ihr entriss und minutenlang jeder ihr bekannten Form der Echtheitsprüfung unterzog. Doch es blieb dabei: Der Schein war echt. Die Wache kehrte zurück auf ihren Patrouillengang, finstere Blicke zurückwerfend. Helwer erinnerte sich an die Schwierigkeiten, die er mit Salvin sonst hatte. Er wurde misstrauisch:
    "Das ist ein militärischer Passierschein. Woher hast du sowas überhaupt?"
    "Beziehungen", kam die schnippische Antwort. Unterdessen postierten sich Felistra und Jason bereits am nächstgelegenen Tank. Sie wollten ihn öffnen. Jason versuchte, sehr männlich auszusehen, erst mit Kraft, dann mit technischem Sachverstand, er scheiterte jedoch in beiden Punkten. Schließlich kam ihm die naheliegende Idee:
    "Hey, wir könnten es doch mit dem Berechtigungsschein probieren! Der funktioniert bestimmt." Salvin war davon gar nicht begeistert. Es fiel ihm allerdings auch keine Argumentationslinie ein, die er gegen die diskussionsliebenden FAKs gewinnen konnte. Er kapitulierte und gab Jason den Schein. Der wiederum fuchtelte damit vor einer Abdeckung herum. Nichts passierte. Er versuchte, die Runen vorzulesen, bemerkte aber, dass er keine davon deuten konnte. Als er anfing, das bisschen lesbaren Text auf der Karte zu rezitieren, unterbrach ihn eine quäkende Stimme:
    "Hier vorne, du Idiot!" Die Stimme schien vom runden Cockpit des Transporters zu kommen. Vorsichtig schlich Jason dort hin. Die anderen folgten ihm still. Einige Lamellen schoben sich weg, das Cockpit freigebend. Die Konsole zeigte einige schwach beleuchtete Anzeigen von Ruhefunktionen. Jason hielt den Passierschein vor sich, als wäre der ein Schild.
    "Sieht authentisch aus für mich", sagte die quäkende Stimme. Stille. Warten. "Und jetzt? Du willst doch irgendwas", fuhr die Stimme mit für eine Maschine irritierender Gereiztheit fort. "Außer dich