Clemens Gleich
Salvin überlegte sich, ob seine Informantenstrategien so gut waren, schließlich hätte er offensichtlich einfach Helwer fragen können.
"Du hier?", rief Salvin, "Hättest ja was sagen können."
"Ich bin dir doch keine Rechenschaft schuldig", gab Helwer pampig zurück. "Wo die Unterdrückten mich brauchen, da bin ich eben."
"Ja, ja, ja, ja. Und was macht ihr mit den Unterdrückten?"
"Wir befreien sie natürlich!"
"Aha. Und wie?"
"Ich habe schon viel zu viel gesagt." Just in diesem Moment sah Salvin seine eigentlichen Ziele an einer Tür stehenbleiben, offensichtlich erklärte der Eisenbahnoffizier gerade etwas. Salvin stürzte, fiel geradezu durch das Abteil, warf seine sämtlichen Aufzeichnungsäthermaschinen an und schrie: "Herr Palankin! Herr Palankin!" Sein Opfer drehte sich um. Es erkannte ihn mit leichtem Entsetzen wieder: der Idiot mit dem Kuchen. Schnell drehte er sich zum Gehen um, was ihn Auge in Auge mit der Stimme Shardid Rooth brachte. Eben war er dort noch nicht gewesen, jetzt sagte er:
"Hallo."
"Hallo", sagte Palankin, Coolness emulierend.
"War das Ihre Idee, mit dem Zug zu fahren?", fragte Shardid nicht unfreundlich.
"Nein. Dieser freundliche Volksdiener namens Hinterländer hat uns gebeten, die Vorzüge der öffentlichen Verkehrsmittel in Erwägung zu ziehen. Gibt es ein Problem?"
"Nein. Im Gegenteil: Ich frage mich, warum ich nicht selber darauf gekommen bin." Ruppig stocherte sich Salvin hier mit seinen Ellbogen zwischen die beiden und schrie:
"Herr Palankin! Wie kommt es, dass ein hochrangiger Offizier hier..."
"Die imperiale Eisenbahn ist ebenso schnell wie komfortabel." Magnus produzierte geradezu prospektreifen Werbesprech. "Ich sehe keinen Grund, diese Vorzüge auszuschlagen."
"Nein, ich meine: Was haben Sie mit dem Felligentransport zu tun?"
"Ist das nicht offensichtlich? Ich fahre im selben Zug."
"Jetzt seien Sie doch ein bisschen kooperativer", rief Salvin, "Die Öffentlichkeit..."
"...muss vor dieser Tür bleiben", unterbrach ihn Shardid und öffnete die Tür in einen Seitengang. Dankbar trat Magnus mit Gefolge ein.
"Tut mir leid", log Shardid den Reporter an und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
"Sie können mich hier nicht einfach so sitzen lassen!", zeterte Salvin. "Ich bin vom Echo! Wir werden solange eure Machenschaften aufdecken, bis, bis..." Ihm fiel nichts ein. Er trat gegen die Tür, die seine Ohnmacht jedoch nur vergrößerte, indem sie daraufhin Fußschmerzen, aber keinerlei Geräusch machte.
Hinter der harten Tür wollte Magnus Shardid danken. Er war weg. Der Major zuckte die Schultern. Wer wusste schon, was in diesen Stimmen vorging? Hinterländer führte sie weiter, bis sie einen großen Raum erreichten, dessen Wände voller Geräte waren, vor denen jeweils dicke Sessel im Boden eingelassen waren, von denen man dieselben bequem bedienen konnte. In der Mitte des Raums befand sich eine Art Bühne mit einem Tisch darauf, fett wie ein Altar – ein horizontales Anzeigegerät zum darum herumstehen. Aktuell leuchteten schematische Darstellungen technischer Vorgänge in den Antriebsmaschinen der Achsen. Magnus war hochzufrieden. Hier gab es viel mehr Platz als im Analogon ihres Schiffes. Ebenso erfreulich die Unterbringung: Gramp und Palankin hatten je ein riesiges Schlafzimmer mit Bad für sich, die in eine gemeinsame Lounge mündeten. Die Suite war ganz oben im Waggon untergebracht und hatte sogar ein Dachfenster, das die Sonne hereinließ, wenn man die Blenden entsprechend einstellte. Magnus goss zwei Whisky aus der Bar in der Ecke ein, womit er sich zu Gramp ans Fenster setzte. Beide sahen gedankenverloren hinaus, beobachteten, wie der Bahnhof sich langsam in relative Bewegung setzte. Gramp fühlte sich immer noch als dumme Marionette – immerhin eine dumme Marionette mit einem Glas Whisky.
"Wir sind doch nur dumme Marionetten!", kam ein Wortbeitrag aus dem FAK-Team, das in einem recht beengten Schlafabteil tagte. "Was machen wir hier überhaupt?", war ein anderer. Helwer war genervt, auch von sich selber. Ja, was machten sie hier? Das hätte man sich ja vorher mal überlegen können, als stattdessen blinder Aktionismus angesagt war. Irgendjemand hatte mitbekommen, dass eine Kolonne von Frachtern vom Biolabor aus zu einem Bahnhof fuhr, irgendwie waren sie kopflos hingerannt und hatten sich ein Abteil gemietet. Helwer lag mit hinterm Kopf verschränkten Armen auf seiner Pritsche und ließ sich die Vorschläge für das weitere Vorgehen um die Ohren
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