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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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diesem Votum war klar, wir nehmen Andrea.
    Ich wusste, dass Cleo zwar an uns hing, aber auch zäh undunabhängig war und immer auf die Füße fiel. Dennoch machte ich mir Sorgen. Ich vergrub meine Nase in ihrem duftenden Fell und betete (obwohl die meisten meiner Unterhaltungen mit Gott sich als deprimierend einseitig erwiesen hatten), dass wir uns wiedersehen würden. Drei Monate lang auf die Kinder verzichten zu müssen war genauso, als würde ich mir einen Arm abhacken und in die Tiefkühltruhe legen. Ich sagte mir, dass es keine richtige Amputation war wie bei Sam, sondern nur ein Auf-Eis-Legen. Mum und Steve versicherten mir, dass es den Kindern gut gehen würde, vor allem weil ja auch noch Anne Marie für sie da sein würde. Ich wusste, dass die drei Rob und Lydia liebten, aber die für die Liebe einer Mutter typische Mischung aus Neurosen und Vergötterung brachten sie eben doch nicht hin. Sie erklärten mir wiederholt, dass die drei Monate wie im Flug vergehen würden. Philip wiederum versicherte mir, er wäre vollauf mit seinem Studium beschäftigt, weil er das Programm von zwei Jahren in eines quetschen wollte.
    Cambridge hatte seit Jahrhunderten die besten grauen Zellen von ganz Großbritannien beherbergt und da die Cambridger nun einmal so schlau waren, hatten sie dafür gesorgt, dass sie in einer der malerischsten Städte der Welt wohnten. Die einunddreißig alten und neuen Colleges verteilen sich weitläufig an den Ufern des Cam, der je nach Laune träge oder wildromantisch sein kann. Bereits am ersten Tag lenkte mich Cambridge trotz schneidender Januarkälte mit seiner Schönheit von meinem inneren Melodrama ab. Die Türme der King’s College Chapel ragten so fein ziseliert in den Himmel, dass sie nur von Bienen und nicht von Menschen erbaut sein konnten.
    »Miss Brown, wir erwarten Sie schon«, ertönte eine Stimme, die wie von Gott gesandt klang. Es sprach Wissen,Macht, Autorität aus ihr – sie gehörte dem Pedell des Colleges.
    Irgendwie vermittelte er mir das Gefühl, dass ich jetzt dazugehörte und nichts mehr schiefgehen könnte. Kaum hatte er mich zu meinem großen, gemütlichen Zimmer gebracht, von dem aus man vier Obstbäume sah, pflasterte ich sämtliche freien Flächen mit Fotos von den Kindern und Philip und Cleo zu. Dann brach ich in Tränen aus.
    Alles an Cambridge war ungewohnt. Der Januar in Neuseeland ist einer der heißesten Monate des Jahres. Ich hatte zwar gewusst, dass es in England kalt sein würde, aber dass die Kälte durch jeden Mantel und Pullover und sämtliche Schuhe, die ich dabeihatte, dringen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Die englische Version der Sonne erhob sich irgendwann gegen halb acht ächzend aus ihrem Bett, hing dann lustlos wie eine Zwanzig-Watt-Birne am Himmel herum und versank gegen drei Uhr nachmittags wieder in der Dämmerung.
    Das hielt mich allerdings nicht davon ab, die alte Stadt in vollen Zügen zu genießen. Das Kopfsteinpflaster, die knarrenden Colleges, die traumhaften Jungensopranstimmen, die zur Abendandacht in der King’s College Chapel gen Himmel strebten. Ich mochte die Verschrobenheit von Cambridge und das Beharren auf Regeln, die so alt sind, dass sich niemand erinnert, warum es sie überhaupt gibt. Nur Angehörige des Colleges dürfen über den Rasen gehen (wobei ich mich das nie traute, womöglich hatte ich ja nicht das richtige Stipendium). Nach dem Abendessen wird der Port vor den Gastgeber gestellt, der dem Gast zu seiner Rechten einschenkt und dann die Karaffe an den Gast linker Hand reicht; der wiederum gibt sie nach links weiter, bis sie schließlich wieder beim Gastgeber landet. Da mit denmeisten Regeln in Cambridge kein offenkundiger praktischer Nutzen verbunden ist, hat man eine sympathische Toleranz gegenüber Schrulligkeiten entwickelt. Sollte beispielsweise ein Professor zu einem formellen Abendessen mit Tauchanzug und Schnorchel erscheinen (wie es angeblich einmal geschehen war), musste er nur auf irgendeine Tradition, an die sich sonst niemand erinnern konnte, verweisen.
    In Cambridge begegnete man auf Schritt und Tritt Katzen. Da ich von akuter Katzensehnsucht geplagt wurde, versuchte ich mich mit dem fetten roten Kater anzufreunden, der auf der Mauer hinter den Obstbäumen saß. Aber er ergriff die Flucht, kaum dass er mich erblickte.
    Eines Tages sah ich einen schwarzen Schwanz um die Ecke einer alten Kirche biegen. Mein Herz machte einen Satz. Ich wusste natürlich, dass es nicht Cleo sein konnte, aber

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