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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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sich im Nebenzimmer schlafen. Ich langweilte alle, inklusive meiner selbst. Am liebsten wäre ich heimlich von der Liege geklettert und in die Nacht hinaus verschwunden.
    Ich wollte zwar eine natürliche Geburt ohne Schmerzmittel, entwickelte aber eine gewisse Anhänglichkeit an eine Maske, die süßlich riechendes Stickoxydul verströmte. Ich werde nie verstehen, warum das Zeug Lachgas heißt. Es passierte nichts auch nur annähernd Komisches, außer dass alle anfingen, mit Micky-Maus-Stimmen zu reden. Das machten sie nur, um mich zu ärgern. Immer wenn sie versuchten, mir die Maske zu entreißen, hielt ich sie fest und ließ sie nicht los.
    Dann tauchte die Ärztin wieder auf und sagte, dass sie die Fruchtblase um das Baby sprengen würde. Baby? Welches Baby denn? Plötzlich glitt eine schimmernde weiße Katze in den Raum und beugte sich über mich. Ihre wunderschönen glänzenden Augen blickten mich an. Ginny!
    »Das machst du sehr gut!«, schnurrte sie in mein Ohr.»Man kann den Kopf schon sehen. Das Baby hat ein Büschel schwarzer Haare. Bei der nächsten Wehe musst du ganz fest pressen.«
    »Sehr gut«, sagte Ginny. »Jetzt noch einmal pressen …«
    Gleich darauf gab es einen tollen Wasserfall. Ein Komet aus Diamanten, die in einem weiten Bogen Richtung Decke flogen und irgendwo hinter meinem rechten Knie landeten.
    Ein lauter Schrei erfüllte den Raum. Winzige lila Beine und klitzekleine Füßchen waren mit einer rotblauen Schnur gefesselt, die dick genug war, um Steves Fähre am Kai festzumachen. Kleine geballte Hände, die aussahen wie rosa Kamelien. Augen in einem Gesicht, so weise wie das eines Gurus und so frisch wie der Morgen, irrten unter einem Schopf dunkler Haare neugierig umher. Ich hatte niemals jemanden gesehen, der so zuversichtlich wirkte, am richtigen Ort gelandet zu sein. Das Baby. Unser Baby! Eine Woge der Liebe stieg in mir auf und überflutete das Kind.
    »Sie ist wunderschön«, sagte Ginny und legte sie in meine Arme. »Wie soll sie heißen?«
    Ein Mädchen war das Letzte, was ich erwartet hatte. Meine Sehnsucht nach einer Tochter war so tief gewesen, dass ich Angst gehabt hatte, sie jemandem einzugestehen, insbesondere mir selbst. Schon, dass das Kind ein Mädchen war, zeugte davon, dass es nicht vorhatte, ein Ersatz für Sam zu werden. Aus den kurzsichtigen Augen, mit denen sie mich anstarrte, sprach ein solcher Eigensinn, dass ich keine Sekunde versucht war, sie Samantha zu nennen, nicht einmal mit zweitem Namen.
    »Lydia«, sagte ich. »Nach der Mutter meines Vaters. Ich habe sie nie kennengelernt, aber alle sagen, dass sie eine starke Frau war.«
    »Lydia, Kleines«, sagte Ginny zärtlich. »Mögest du sicher und leichtfüßig auch durch die Regentage des Lebens kommen.« Als sie ihren improvisierten Segen sprach, bemerkte ich zum ersten Mal, dass Ginnys Augen glänzten vor verborgener Weisheit, wie die von Cleo.

 
    18
    R isiko
    Die Bewegungen einer Katze sind fließend,
    so dass sie immer auf den Pfoten landet.
     
    Rob hatte Recht. Cleo war kein bisschen eifersüchtig auf das Baby. Klaglos räumte sie die Wiege, sie schien zu begreifen, dass Lydia eine wertvolle Ergänzung unseres Haushalts darstellte. Dabei war Cleo nicht nur fasziniert von diesem neuen Menschen, sondern auch hocherfreut über Lydias Neigung, die ganze Nacht wach zu bleiben. Mehr als das, Cleo schien zu glauben, dass Lydia eigens einen Essensplan im Drei-Stunden-Rhythmus erfunden hatte, um sie von der Langeweile endloser, ereignisloser Nachtstunden zu befreien. Wann immer sich das Baby rührte, sei es um zwei, halb vier oder Viertel nach vier morgens, hörte man die vierbeinige Gestalt miauen, als habe sie in gespannter Erwartung dieses Spaßes nur ein kleines Nickerchen gehalten. Dann sprang Cleo auf den Schaukelstuhl, um sich zu der kuschelig warmen Mutter-Kind-Einheit zu gesellen. Manchmal kauerte sie sich auf die Rückenlehne des Stuhls und sah laut schnurrend mit riesigen durchscheinenden Augen auf uns herunter. Wie eine Wächterin erhob sich Cleo über uns und umhüllte uns mit Liebe und den mythischen Schutzkräften der Nacht.
    Ich hatte noch nie ein Baby gesehen, das sich so wohl in seiner Haut fühlte. Lydia umklammerte meine Finger mit ihren Händchen und schien ganz genau zu wissen, dass sie dort war, wo sie hingehörte. Ich konnte kaum glauben, dasses sie nie gegeben hätte, wenn Sam nicht vor zweieinhalb Jahren gestorben wäre. Noch immer trauerte ich um ihn und suchte in der Form ihres Kopfes und

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