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Cleo

Titel: Cleo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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ihrer Augen Ähnlichkeiten mit ihm. Doch Lydia war entschlossen, allein um ihrer selbst willen akzeptiert zu werden. Überschäumende Freude kann tiefe Trauer nicht auslöschen. Aber man kann beides gleichzeitig empfinden.
    Wieder wurde es Winter. Die stürmischen Südwinde peitschten eiskalten Regen durch die Cookstraße und fielen tosend über die Stadt her. Regenschirme wurden an Straßenecken fortgerissen. Alte Frauen klammerten sich an Laternenpfählen fest. Die Leute kämpften sich abends die Hügel hinauf nach Hause, und es gab niemanden, der keinen Bad-Hair-Day hatte. Als der Wind endlich nachließ, verzogen sich die Hügel schmollend unter eine dicke Wolkendecke. Die ganze Stadt verkroch sich in sich selbst. Und noch immer regnete es.
    Zu solch kleineren Unannehmlichkeiten äußerten sich die Wellingtoner nur selten. Dafür, dass sie unter klimatisch schwierigen Bedingungen auf einer Kette steiler Hügel wohnten, die direkt in das aufgerissene Maul der Antarktis blickten, wurden sie mit dem sicheren Wissen belohnt, in der Landeshauptstadt zu leben und allein deshalb wichtig zu sein. Selbstverständlich waren sie etwas Besseres als die raubeinigen Aucklander, die trübsinnigen Einwohner von Christchurch und (um Himmels willen) die Bauerntölpel vom Land. Für die Zeiten, in denen das Wetter den Einwohnern das Leben schwer machte, gab es hier mehr Lesezirkel, Abendschulen und Theater pro Kopf als in jeder anderen Stadt Neuseelands. Man war einfach kultiviert.
    »Was hast du denn für Wetter mitgebracht?«, fragten die Wellingtoner ihre zitternden, durchnässten Besucher vonauswärts im vorwurfsvollen Ton. »Ja, wenn du gestern gekommen wärst! Die letzten zwei Wochen hatten wir durchgehend Sonne.«
    Aber wenn Wind und Regen die Stadt zehn Tage in Folge im Würgegriff gehabt hatten, dann geschah manchmal etwas ganz Außerordentliches. Wellington streifte seinen grauen Mantel ab und zeigte sich in den schönsten Farben. Eine strahlend gelbe Sonne lächelte auf einen blauen Hafen herab. Rote Dächer leuchteten auf grünen Hügeln. Wellington sah aus wie eine Bilderbuch-Stadt. Und wieder einmal beglückwünschten sich die Einheimischen, dass sie in einem, wie sie sagten, tropischen Paradies lebten (na ja, mehr oder weniger).
    Sechs Wochen nach Lydias Geburt wurde Rob neun. Die Aussicht auf diesen neunten Geburtstag weckte völlig irrationale Ängste in mir. Würde die Zahl Neun all unseren Kindern Unglück bringen?
    »Wie möchtest du denn feiern?«, fragte ich Rob eines Morgens und befürchtete fast, er würde so etwas wie Sams gespenstische »Feier« zu seinem neunten Geburtstag haben wollen.
    »Am allerliebsten«, sagte er, während ich die Luft anhielt, »hätte ich eine Pyjamaparty.«
    »Mit Jason?«
    »Und Simon und Tom und Andrew und Nathan …«
    »Ein große Party also?«, fragte ich und stellte mir vor, wie das Haus von fröhlichem Lachen und Schreien erfüllt war. »Prima Idee!«
    »Darf ich Daniel und Hugo und Mike auch einladen?«
    »Natürlich! Mädchen auch?«
    Rob sah mich an, als hätte ich ihm vorgeschlagen, Brokkoli mit Zwiebeln zu frühstücken.
    Am Morgen seines Geburtstags weckten wir Rob und überreichten ihm ein kleines in rotes Papier eingewickeltes Päckchen mit blauer Schleife. Die Superman-Farben.
    »Soll ich zuerst die Karte lesen?«, fragte er aufgeregt.
    Er war entzückt, als er entdeckte, dass Cleo seine Glückwunschkarte mit einem Pfotenabdruck in blauer Fingerfarbe unterschrieben hatte. Mit der ihm eigenen Behutsamkeit zog er den Tesafilm vorsichtig ab, statt gleich das Papier aufzureißen, wie es andere Jungen gemacht hätten. Ich betrachtete sein niedliches, erwartungsvolles Gesicht und fragte mich immer noch, ob er schon alt genug für das Geschenk war, aber Steve und ich hatten unzählige Male darüber gesprochen und es sehr sorgfältig ausgewählt.
    »Wow!«, rief er freudestrahlend. »Eine echte Casio-Digitaluhr!« Bevor wir auch nur »mit vielen Funktionen« sagen konnten, hatte er sie schon aus ihrer Schachtel befreit und um sein Handgelenk gelegt.
    »Die ist echt toll!«, sagte er. »Seht mal, sie ist sogar beleuchtet. Wenn man diesen Knopf hier drückt, weiß man auch im Dunkeln, wie viel Uhr es ist.«
    Von meiner Seite der Familie konnte Rob das Geschick für technische Dinge nicht haben. Er vertiefte sich in die Gebrauchsanweisung und erklärte uns dann, dass die Uhr praktisch alles konnte, außer ins All fliegen. Hochzufrieden zog er die Schutzfolie von dem Glas ab,

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