Cleo
in ihre Nester zurückeilen konnten.
»Katzen tragen keine Halsbänder«, sagte Mutter in einem Ton, als hätte sie gerade das elfte Gebot in Stein gemeißelt.
Die Kinder und ich freuten uns immer auf Mums Besuche, auch wenn sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeitetwas an uns auszusetzen hatte. Dieses Mal war es das Katzenhalsband.
»Sie bringt zu viele Mäuse und Vögel um«, sagte ich und schloss das Lederband um Cleos unwilligen Hals. »Außerdem sieht sie damit ein bisschen wie Audrey Hepburn aus, findest du nicht?«
»Es ist hässlich«, erwiderte meine Mutter. »Abgesehen davon ist es die Aufgabe einer Katze, Tiere zu töten.«
Endlich einmal waren Cleo und meine Mutter einer Meinung. Die Katze schüttelte heftig den Kopf und klingelte dabei wie eine Weihnachtsglocke.
»Siehst du? Es mag das Ding nicht.«
»Cleo ist kein Es«, sagte ich, »Und sie wird sich schon daran gewöhnen.«
Damit begann ein regelrechter Nervenkrieg zwischen Cleo und mir. Noch niemals hatte sie einschließlich aller Menschen, die keine Katzenfreunde waren, etwas so sehr verabscheut wie dieses Halsband. Jede Stunde, in der sie wach war, verbrachte sie damit, daran zu kratzen und zu nagen. Drei der falschen Diamanten fielen heraus. Irgendwann war von dem schicken knallrosa Halsband nur noch ein dünner Lederstreifen übrig. Der Blick, mit dem mich Cleo aus zusammengekniffenen Augen fixierte, sagte: Wie kannst du es nur wagen und mich mit diesem erniedrigenden Ding brandmarken? Wie kommst du auf die Idee, dir so etwas anzumaßen? Glaubst du vielleicht, ich gehöre dir?
»Ist das dein neuer Freund?«, flüsterte mir meine Mutter für alle hörbar in der Küche zu. »Ich dachte zuerst, da steht ein Polizist, als ich die Tür öffnete. Mit den kurzen Haaren und so glatt rasiert. Nicht ganz dein Typ, oder?«
Ich hatte es noch nie leiden können, wenn sie ihre Meinung zu meinem Privatleben abgab. Ihre Bemerkungen warenbeißend wie Rasierwasser, und der neue Mann in unserem Leben bot ihr jede Menge Stoff.
»Er war beim Heer, sagst du? Nun ja, vorher warst du schließlich mit einem Matrosen verheiratet. Als Nächstes kommt dann wahrscheinlich einer von der Luftwaffe.«
In der Redaktion war es nicht leichter. Aus all den hochgezogenen Augenbrauen hätte man leicht eine gotische Kathedrale bauen können. Immer neue Toy-Boy-Witze machten die Runde. Journalisten bilden sich etwas darauf ein, liberal zu sein, aber jetzt musste ich am eigenen Leib erfahren, dass sich diese Liberalität nur auf bestimmte Bereiche erstreckte. Wenn ich mich dem Alkohol zugewandt und mit einem älteren Drogensüchtigen regelmäßig bis in die Morgenstunden einen draufgemacht hätte, hätten sie nicht einmal Notiz davon genommen. Die Filme waren voll von alten Kerlen (und sind es heute noch), die aussahen wie Bulldoggen und sich über Modelschönheiten hermachten, die fünfundzwanzig Jahre jünger waren als sie.
Insofern war es mehr als ungerecht, die Nase über eine Frau zu rümpfen, die mit einem jüngeren Mann mit Anzug und Kurzhaarschnitt zusammen war. Ich rächte mich für ihren Spott mit Witzchen, die sie in dem Glauben wiegen sollten, es handele sich um eine Affäre. Nur dauerte diese Affäre mittlerweile ein paar Monate länger als erwartet.
Bei Philip sah es auch nicht besser aus. Sein Freundeskreis, alles schlaue, junge Leute, reagierte sehr befremdet auf diese merkwürdige Beziehung. Nach wie vor wurde er überschwemmt mit Einladungen zu Mittagessen und Partys mit Mädchen, die sämtliche Kriterien erfüllten. Die Stadt war voll von hochqualifizierten, faltenlosen Schönheiten, die alle ganz dringend einen Mann brauchten und besonders einen wie Philip.
Mich in meinen One-Night-Stand zu verlieben, war die schönste Überraschung, die jemals auf mich gewartet hatte. Ihn näher kennenzulernen kam der Erkundung einer dunklen Höhle gleich, die zuerst trügerisch flach gewirkt hatte. Kaum grub man allerdings ein wenig tiefer und bog ein paar Mal um die Ecke, öffnete sich die Höhle zu einem riesigen Gewölbe voller seltener und wunderschöner Kristalle. Philip sah nicht nur gut aus, war unterhaltsam und konnte gut mit meinen Kindern umgehen, er war auch außerordentlich wissbegierig. Er war der erste Mann, den ich kennenlernte, der sich wirklich für meine seltsamen Träume und gelegentlichen übersinnlichen Erlebnisse interessierte. Wir gehören zusammen, dachte ich, und legte ihm eine unsichtbare Version von Cleos rosafarbenem Halsband um
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