Cleopatra
Zelle eingesperrt ist.«
Ich hämmerte an die Tür und Gerrit machte auf. In seinen Augen im Sehschlitz der Sturmhaube sah ich seine Überraschung über mein entblößtes Gesicht.
»Ist schon okay,« sagte ich. »Behalte du deine Mütze auf, sie braucht nicht zu wissen, wer du bist, aber gib mir mal bitte ihre Tasche und bring mir eine Schüssel Wasser oder etwas Ähnliches, damit sie sich frisch machen kann. Wir müssen sie so bald wie möglich wieder zurückbringen.«
»Und was ist mit dem anderen?«
»Das weiß ich noch nicht.«
Gerrit gab mir die Reisetasche und schloss die Tür.
Ich stellte die Tasche neben Betty und setzte mich wieder auf meinen Stuhl. »Du kannst dich jetzt anziehen. Wenn du willst, schaue ich gern so lange in eine andere Richtung, aber ich habe dich schon nackt gesehen.«
Sie studierte mein Gesicht. »Ich habe dich doch schon mal gesehen«, sagte sie.
»Vielleicht im Traum.«
Sie suchte in der Tasche, stand auf und warf das Laken von sich. Sie schlüpfte in einen weißen Slip und zog einen BH an, ein einfaches Exemplar aus weißer Baumwolle ohne Bügel – die brauchte sie nicht. Sie bewegte sich resolut und selbstbewusst, ohne eine Spur von Scham.
»Jetzt erzähl mal. Wie ist Cleo an dich geraten?«
Sie zog eine schwarze Jeans über ihre wohlgeformten Beine. »Sie ist auf mich zugekommen. Eines Tages erhielt ich einen Anruf von einer gewissen Frau Boerman.«
»Wann war das?«
»Ende 1982; ich wohnte noch in Utrecht. Sie rief bei mir zu Hause an. Sie habe einen Vorschlag, wie ich mir etwas Geld verdienen könne. Sie lud mich ein, sie in einem Hotel in den Ardennen zu treffen. Sollten wir uns nicht einig werden, würde sie mir für meine Umstände zweitausend bar auf die Hand bezahlen. Ich dachte mir, was soll’s, ich habe nichts zu verlieren.«
»Kanntest du Tom damals schon?«
Betty nickte. »Tom arbeitete gelegentlich auf freiberuflicher Basis für Cleveringa. Es war bekannt, dass er Minister werden würde. Cleveringa verstand sich gut mit Tom. Er bot ihm eine feste Stelle an, mit Unterkunft im Kutschenhaus, am besten zusammen mit einer Ehefrau, die für die Bewachung von Buchenstein sorgen könnte, wenn sie im Ausland waren und so weiter. Ich war bei der Polizei gewesen und arbeitete für eine Sicherheitsfirma.« »Und du wurdest auf Tom angesetzt und hast dich sofort in ihn verliebt?«, informierte ich mich wie nebenbei.
»Für mich war das kein Problem. Ich wurde dafür bezahlt und Tom ist ein netter Mann. Ich tat mein Bestes.«
Es klang nüchtern. Sie zog den Reißverschluss ihrer Hose zu und schaute die kalte Kachelwand an. Eine Weile herrschte eine Stille, in der Gedanken an Liebe und Liebhaber und vielleicht auch ein wenig Reue mitschwangen. Ich beschloss, das Thema auf sich beruhen zu lassen.
»Was wollte Cleopatra von dir?«
»Informationen.«
»Sagte sie dir sofort, wer sie war?«
Sie zog ein verächtliches Gesicht. »Jetzt hör aber auf. Sie war Frau Boerman. Sie hatte Papiere auf diesen Namen. Ich erhielt eine Postfachadresse, an die ich Informationen und Berichte darüber schicken sollte, was sich auf Buchenstein abspielte. Erst bei unserem dritten Treffen verriet sie mir, wer sie war.«
»Und du hast ihr sofort geglaubt?«
»Ich habe es schon viel früher gewusst. Einen Monat nach unserem ersten Gespräch zog ich nach Buchenstein und dort zeigte mir Lonneke als Erstes ein Foto von ihrer Mutter. Sie trug dieses Foto immer bei sich.«
»Du hättest Cleopatra auch für eine Menge Geld an deine Chefs verraten können.«
Betty erwiderte ungerührt meinen Blick und sagte: »Ja, das hätte ich.«
»Aber?«
»Sie bezahlte mich gut und es war das Risiko nicht wert. Sobald ich wusste, was los war, war mir auch klar, dass es aus mit ihr wäre, wenn sie entdeckt würde. In diesem Fall wäre auch mein Leben keinen Pfifferling mehr wert gewesen und das galt damals so gut wie heute. Ich war die Einzige, die mit Sicherheit wusste, dass sie noch am Leben war.«
Ich erhob mich, als ich die Tür aufgehen hörte. Gerrit reichte mir einen Eimer Wasser, ein Stück Seife und ein Handtuch hinein. Er schaute durch den Sehschlitz seiner Sturmhaube zu Betty herüber und flüsterte: »Soll ich den Lieferwagen holen?«
Ich nickte. »Stell ihn mit dem Heck an die Eingangstür.«
»Nehmen wir den Mann auch mit?«
»Das weiß ich noch nicht.«
Die Tür schloss sich mit einem typischen Kühlschrankgeräusch und ich brachte den Eimer zu Betty. Sie legte sich das Handtuch über
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