Cleopatra
letzte Adresse am Faustdreef, aber da wohnt sie nicht mehr. Können Sie das vielleicht kurz für mich überprüfen?« Ich buchstabierte den Namen und nahm mein Notizbuch zur Hand.
Bart ist nicht nur mein ehemaliger Partner, sondern auch ein guter Kumpel. Er weiß, dass ich manchmal seinen Namen benutze. Wenn ich glaube, dass Leute zurückrufen oder nachfragen, brauche ihm nur kurz Bescheid zu sagen. Er reagiert nur gereizt, wenn ich mich in seine Angelegenheiten einmische.
»Mending, Clara Elisabeth«, meldete der Beamte durch das Telefon.
»Sie ist weggezogen.«
»Welches Datum steht dabei?«
»16.04.1980.«
Die Leute bei den Behörden sagen selten mehr als das, wonach man sie gefragt hat. »Steht da auch, wohin?«
»Nach Loosdrecht.«
»Haben Sie zufällig auch eine Adresse?«
»Nein, natürlich nicht. Die müssen Sie dort erfragen.«
»Das werde ich tun. Nur kurz zur Sicherheit, dass wir von derselben Dame sprechen: Sie war doch verheiratet, oder?«
»Hier ist sie als unverheiratet eingetragen. Geboren in Ypern, Belgien, am 12.02.1953, Beruf Sekretärin. Ich kann Ihnen eine Kopie schicken, aber dann müssen Sie eine Gebühr von zwölf Gulden fünfzig bezahlen, ob Polizei oder nicht.«
»Kein Problem«, sagte ich. »Das geht an Bart Simons, Polizei Amsterdam, Polizeiinspektion Herengracht, Abteilung Kriminalpolizei. Steht auch in den Unterlagen, wann sie in die Niederlande gekommen ist?«
»Moment, ich notiere. Schreiben Sie sich einfach ›Simons‹?«
»Einfacher geht’s nicht.«
Er lachte nicht. »Frau Mending kam 1972 in die Niederlande. Overvecht war ihre erste Adresse.«
Ich schrieb mir auf, dass ich Bart anrufen musste, und starrte dann auf meine hastig hingekritzelten Notizen. Eine Belgierin. In den Benelux-Ländern brauchte sie nicht die Staatsbürgerschaft zu beantragen, um hier dauerhaft wohnen zu können. Also war sie wahrscheinlich immer noch Belgierin. Eine unverheiratete belgische Sekretärin, acht Jahre jünger als Cleopatra, mit der sie sich angefreundet hatte. Aus Utrecht weggezogen, kurz bevor Cleo verschwunden war.
Ich schaute auf die Uhr meines Autos und sah, dass es zu spät war, um noch das Rathaus von Loosdrecht zu erreichen, bevor es zumachte. Ich bekam die Nummer von der Auskunft und rief dort mit derselben Ausrede an. Clara Mending war in Loosdrecht seit 1980 unter einer Adresse am Wieldijk gemeldet.
Ha, dachte ich.
Es versprach, ein genauso schwüler Juniabend zu werden wie am Tag zuvor, und vielleicht könnte ich eine etwa fünfundvierzigjährige belgische Sekretärin zu einem schönen Seezungenfilet mit einem kühlen Weißwein einladen, auf einer Terrasse am Meer mit Blick auf den Sonnenuntergang.
Das Wasser glitzerte verführerisch zwischen den umgebauten Deichhäusern und den Häusern im neueren Stil, umgeben von Schilfbüscheln und Weidengestrüpp. Dann und wann hörte man Segel in der Sommerbrise schlagen. Es war einer der kleineren Seen, so dass die Segler oft Halsen und Wenden fahren mussten.
Die Sicherheitsmanie hatte hier ebenso zugeschlagen wie die Parkplatznot. Deichstraßen sind nicht für parkende Autos angelegt, und was man an Lösungen sieht, ist auch nicht immer schön. Bei Nummer 43 konnte nur der Besitzer durch ein hohes grünes Tor mit Fernbedienung auf das Grundstück fahren. Für die Autos von Besuchern war ein schmaler Streifen gedacht, der mit Erde, Schutt und einer Lage Kies aufgefüllt war. Ich parkte den BMW mit zwei Rädern darauf und hoffte, dass in der Zwischenzeit keine Bulldozer vorbeifahren wollten. Das Tor war geschlossen, aber ich fand einen Klingelknopf neben dem Namensschild.
Kurz darauf krächzte eine Stimme aus einem viereckigen Kästchen.
»Ja?«
»Max Winter. Ich möchte zu Frau Mending.«
»Zu wem?«
Nicht schon wieder, dachte ich. »Clara Mending.«
»Hier wohnt keine Clara Mending.«
»Laut Auskunft des Einwohnermeldeamtes allerdings.«
»Sind Sie vom Einwohnermeldeamt?«, fragte das Kästchen.
»Nein, ich komme im Auftrag von Mümo Meulendijk, dem Staatsanwalt.« Man kann das Wort ›Büro‹ so aussprechen, dass es über eine Sprechanlage klingt wie eine Art Vorname. Das sind kindische Tricks, durch die man manchmal hohe, geschlossene Tore überwinden kann.
»Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
»Nein, ich habe keinen Durchsuchungsbefehl. Ich bin auf der Suche nach Clara Elisabeth Mending. Sie wohnt hier oder hat hier gewohnt. Sind Sie Herr Visser? Es ist ein wenig lästig, mit diesem Kästchen zu
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