Cleopatra
wahrscheinlich hat sie auch mehr Verstand als ich.
»Würdest du mich heiraten?«
»Du bist doch schon verheiratet gewesen.«
»Aber du liebst mich doch?«
Sie sagt immer auf Englisch I love you, weil es auf Niederländisch zu endgültig klingt. »Und was dann? Sollen wir in deiner Wohnung wohnen, in diesem Herrenhaus in der Stadt? Mit meinen Töpfen und deinen Pfannen?«
»Ich kann auch hierher ziehen.«
»Und dann?«
»Kartoffeln ernten und Ton für dich stechen.«
»Und-dann?«
»Wie meinst du das, ›und dann‹?«
»Wenn die Kartoffeln geerntet sind.«
»Dann mache ich Feuer im Kamin und lege dein Schaffell auf die Steinplatten davor und dann mache ich den ganzen Winter lang Liebe mit dir.«
»Du würdest also wieder denselben Fehler begehen.«
Wie ich schon sagte: Sie hat mehr Verstand als ich. Marga macht nicht zweimal denselben Fehler. Sie mag Männer, hat aber in ihrem Umfeld zu viel schief gehen sehen, um sich dazu verleiten zu lassen, wieder eine feste Verbindung einzugehen.
»Diese Regelung ist doch ganz angenehm«, pflegte sie zu sagen.
Marga bereitete in der Küche das Frühstück zu und ich trug schon mal ein Tablett mit Geschirr, Besteck und Obstsaft durch ihr Atelier in der ehemaligen Tenne nach draußen. Auf der Rückseite des Bauernhofs befindet sich eine große Terrasse unter dem heruntergezogenen Reetdach. Ich trug einen Stuhl und mein Notizbuch zu einer Stelle mit idyllischer Aussicht auf die Obstgärten und erfuhr über mein Handy von der Auskunft, welche Mendings es in Ypern gab. Es wohnten einige dort, darunter sogar jemand, dessen Vorname mit C. anfing, aber dabei konnte es sich genauso gut um einen belgischen Caspard handeln.
Selten zuvor hatte ich mich mit einem so nebulösen Auftrag herumschlagen müssen. Ich wusste noch nicht einmal, wonach ich genau suchen sollte. Jemand hegte wegen irgendetwas einen Verdacht oder wollte aus einem anderen Grund wissen, was vor zwanzig Jahren geschehen war. Vielleicht wusste der Auftraggeber, wer die Frau war, oder er hatte eine Vermutung.
Er – oder sie.
Das alles hatte ich mir schon vorher mal überlegt. Das menschliche Gehirn verfällt in Wiederholungen, wenn es nichts Besseres zu tun hat.
Ich suchte die Nummer von Gert Verhagen in meinem Notizbuch.
Marga kam mit frisch gekochten Freilandeiern und Brötchen vom Dorfbäcker nach draußen.
»Hallo Gert, hier Max Winter. Und, konnte die Identität der Toten inzwischen festgestellt werden?«
»Nein, nicht soviel ich weiß. Unsere Leute klappern die Krankenhäuser ab.«
»Habt ihr Fotos von dem Bruch, Röntgenaufnahmen?«
»Natürlich. Wir jagen sie über Medi-line durch die Computer, aber das Problem ist, dass sie sich das Bein schon vor zwanzig oder dreißig Jahren gebrochen haben kann, also bevor alle Krankenhäuser ihre Archive auf EDV umgestellt haben. Das bedeutet, dass man in den alten Akten herumkramen muss.«
Marga stellte sich hinter mich. Unter dem lavendelblauen Morgenmantel, den ich ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, war sie nackt. Sie beugte sich absichtlich über meine Schulter, so dass der Morgenmantel aufging und ich einfach nicht anders konnte, als meine freie Hand unter den Wollstoff zu schieben und auf ihre Brust zu legen.
»Meinst du, ich kann eine davon haben?«
»Bestimmt auch zwei«, flüsterte Marga.
Ich knetete ihre Brust. Die Brustwarze kitzelte meine Handfläche.
»Warum?«, fragte Gert im Hörer.
»Ich habe da so eine Idee. Ich komme bei dir vorbei und erkläre sie dir. Ich kann in einer Stunde da sein.«
»Besser in zwei«, hauchte Marga in mein anderes Ohr.
Ich zog meine Hand zurück und legte das Telefon weg. »Du musst töpfern!«
Ypern ist umgeben von Viehweiden und Soldatenfriedhöfen. Das Schönste an der Stadt ist der Große Markt, der im Ersten Weltkrieg in Trümmer geschossen und später vollständig restauriert wurde. Von den Granateneinschlägen ist heute nichts mehr zu sehen. Beim Einkaufen flanieren Touristen und Einheimische über das wieder an seinen Platz gelegte Kopfsteinpflaster und sitzen auf Café-Terrassen in der Sonne. Glücklicherweise ist Ypern auch eine kleine Stadt, so dass die Mendings einander kennen, wie sich herausstellte, als ich den ersten der fünf anrief.
»Moment mal, Clara, das ist doch die Tochter von Pieter, da bin ich mir ganz sicher. Der wohnt in der Patteelstraat.«
Ein schmales Haus in einer schmalen Seitenstraße hinter einer katholischen Kirche. Die Rollladen waren heruntergelassen und niemand
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