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Cleopatra

Cleopatra

Titel: Cleopatra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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weg?«
    »Selten. Ich meine, wenn die Dame öfter hierher gekommen wäre, hätte ich sie bestimmt einmal gesehen.«
    »Aber Sie sahen Clara doch jeden Tag kommen und gehen; hatte sie eine Arbeitsstelle hier in der Nähe?«
    »Ich habe nie etwas von einer Arbeitsstelle bemerkt. Wenn Sie eine Stelle hatte, waren die dort recht flexibel mit den Arbeitszeiten.« Er fing jetzt an, sich an alles Mögliche zu erinnern. »Ich glaube nicht, dass sie überhaupt arbeitete. Wenigstens nicht, solange sie hier wohnte. Ich sah sie selten vor elf Uhr morgens herauskommen. Manchmal ging sie weg, manchmal blieb sie zu Hause.«
    »Was für ein Auto fuhr sie?«
    »Einen neuen Volkswagen. Weiß.«
    »Hat sie nichts zurückgelassen?«
    »Nichts.« Er nickte zu dem Ferienhaus hinüber. »Ich vermiete möbliert, einschließlich Bettwäsche und so weiter. Wenn sie Möbel aus ihrer früheren Wohnung besaß, hatte sie die irgendwo untergestellt. Was sie selbst mitbrachte, passte in zwei Koffer.«
    »Bekam sie Besuch? Männer?«
    Er kniff die Lippen zusammen. »Ich habe gelegentlich einen Mann gesehen.«
    Auf der Folterbank würde er garantiert gestehen, dass er es selbst bei seiner jungen Mieterin versucht hatte. Vielleicht hatte sie ihn abgewiesen, weil sie kein Interesse an Gartenzwergen hatte. In seinem frustrierten Gehirn lag es natürlich an diesem anderen Mann. Er machte durchaus den Eindruck, als würde er nachts über seinen Plattenweg schleichen in der Hoffnung, sie würde vergessen, die Gardinen zuzuziehen, bevor sie ein Bad nahm.
    »Können Sie sich noch an seinen Namen erinnern?«
    »Ich bin ihm nie vorgestellt worden.«
    »Wie sah er aus?«
    Wieder schüttelte er den Kopf. »Ordentlich gekleidet, im Anzug. Groß. Fuhr einen Mercedes.«
    »Wie groß?«
    Er lachte verächtlich. »Größer als ich.«
    Jeder war größer als er. Für ihn war ein Meter achtzig schon riesig.
    Aber selbst wenn der Fremde einen Meter neunzig gewesen wäre wie der Exminister oder Barend Scholte, hätte das noch gar nichts bewiesen, denn davon gab es Tausende. Die Durchschnittsgröße der Niederländer wird von keinem Volk der Welt übertroffen. Laut einer Forschungsreihe sind die gute Ernährung, eine gesunde Kindheit und Wohlstand dafür verantwortlich. Eine weitere wissenschaftliche Untersuchung sieht den Grund in der Überzeugung der Niederländer, das glücklichste Volk der Erde zu sein.
    »War er der einzige Besucher?«
    »Soweit ich mich erinnere. Ich habe ihn zweimal gesehen, es war Abend und ich konnte sein Gesicht nicht erkennen.«
    »Kann er sie abgeholt haben, als sie wegging?«
    »Ich habe doch gerade gesagt, dass ich nicht da war. Eines Tages war sie weg. Ich habe nachgeschaut und sie hatte alle ihre Sachen mitgenommen.«

 
3
     
    »Ich liebe deine Öhrchen. Wie kleine Perlmuttmuscheln, man kann sogar hindurchschauen.«
    »Jetzt bring mich nicht durcheinander.« Marga schob ihre Fingerspitzen zwischen ihr Ohr und meinen Mund. »Auf dem Fahrrad erreiche ich mit ein bisschen Rückenwind glatt achtzig Kilometer pro Stunde. Kleine Jungs wie du haben mich schon in der Grundschule wegen meiner Ohren geärgert.«
    Sie kniff mir in die Lippen. Sie hält ihre Nägel kurz, sonst würde sich Ton darunter festsetzen. Ihre Gefäße und Vasen und anderen Gegenstände stehen überall auf ihrem Bauernhof herum und auch in den Kunstgewerbeläden der Umgebung. Manchmal belädt sie ihren Volvo Kombi damit und fährt zu Kunsthandwerkermärkten oder lokalen Ausstellungen, die meistens zusammen mit den Malern und Webern aus der Gegend organisiert werden. Es sind sicherlich keine Rodins oder Michelangelos darunter, aber ich finde jedes ihrer Werke wunderschön, genauso erdverbunden und direkt wie Marga selbst mit ihrem breiten Mund, dem aschblonden Haar, den großen Brüsten und kräftigen Schenkeln, dem Schmerz in ihren Augen wegen der verdammten Kontaktlinsen, an die sie sich nie gewöhnen wird. Ich bin natürlich voreingenommen und kein Kunstkenner.
    »Und das, was ist das?«
    »Das ist meine linke Brust.« Sie stöhnte leise. »Ich hab zwei davon.«
    »Die andere sieht ganz neu aus.«
    »Das kommt daher, dass wir nicht verheiratet sind.«
    Alles an Marga ist warm und weich. Sie glüht von innen; man kann den Widerschein dieser Glut wie eine sommerliche Aura im Licht sehen, das durch das große Fenster im Reetdach ins Schlafzimmer fällt. Ihr Körper ist hundert Mal schöner als meiner – obwohl meine Mutter fand, ich sähe Clark Gable ähnlich – und

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