Cleopatra
kann man eintragen, was man will, dachte ich, solange niemand hinter einem steht und kontrolliert, ob man auch seine Passnummer korrekt abschreibt.
»Haben Sie nicht irgendwo anders noch eine Adresse von ihnen?«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Es ist zehn Jahre her. Vielleicht habe ich mal eine gehabt, falls sie schriftlich gebucht haben oder über ein Reisebüro, aber wir bewahren die Papiere höchstens fünf Jahre lang auf, für die Steuer. Sie können auch einfach telefonisch reserviert haben, das kommt regelmäßig vor.« Er klappte das Buch zu und legte es vor sich auf den Tisch. »Außerdem waren sie schon lange weg, bevor es passierte. Die Apartments müssen bis um zehn Uhr geräumt sein. Sie sind wahrscheinlich um acht Uhr morgens abgereist, um die Morgenfähre zu bekommen.« Er rieb sich über die Hosenbeine und sagte tonlos: »Das hoffe ich jedenfalls. Mir ist es lieber, dass es einfach ein Unfall war. Damit kann ich leben.«
Der Sohn stand auf der schattigen Rückseite der Holiday Apts. und spritzte die Oleanderbüsche mit einem Garten–« schlauch. Er wandte nachtragend den Blick ab, als wir nach draußen kamen, und reagierte nicht auf Margas fröhlichen Gruß.
Er ähnelte seinem Vater. Er war hier geboren, war hier zur Schule gegangen. Englisch war die Unterrichtssprache, aber zweifellos sprach er auch fließend Maltesisch, das man hier im Kindergarten lernte und das die Sprache seiner Freunde war. Bestimmt war er der Größte in der Klasse gewesen, ein fremdartiges Entenküken im Teich.
Draußen vor dem Tor hielt ich Marga an.
»Hast du deine Kamera bei dir?«
»Möchtest du, dass ich ihn fotografiere?«
»Ja. Aber mach es unauffällig. Warte.« Ich nahm ihr die Schultertasche ab, holte die Karte von Gozo heraus und gab ihr die Kamera. Sie machte rasch ein paar Fotos, während wir taten, als ob wir die Karte studierten, halb versteckt hinter den Gitterstäben des Zauns.
Wir folgten dem Weg, der am Hotel entlang in Richtung Küste führte. Es standen noch ein paar Häuser dort, bis dahin, wo der Pflanzenwuchs aufhörte und das Felsenplateau begann. Es roch nach Wacholderbeeren und anderen zähen Sträuchern und überall zirpten Grillen.
»Wie bist du darauf gekommen, dass Metz nicht der richtige Vater ist?«, fragte Marga.
»Ich glaube, dass Hans der einzige Mensch auf Malta ist, der mit der Nase unseres früheren Außenministers herumläuft.«
Der Weg bog nach links ab und folgte einem niedriger gelegenen Streifen unterhalb des Felsenplateaus, parallel zur Küste. Marga kletterte schweigend hinter mir her, als ich einen schmalen Pfad einschlug, der nach oben führte. Die Sonne brannte auf das Plateau, das sich fünfzig Meter über dem Meeresspiegel nach Osten erstreckte und der geborstenen Haut eines alten Elefanten glich. In den kühlen Spalten und Falten wuchsen die wunderhübschen Gozo-Blümchen.
Ich folgte dem Pfad bis ans äußerste Ende der Bucht. Er schlängelte sich an der dem Meer zugewandten Seite nach unten zu einem kleinen Strand hin, wo ein Junge in Badehose und ein Mädchen ohne Bikinioberteil auf Schilfmatten unter einem mitgebrachten Sonnenschirm picknickten.
Marga fing an, ihre Bluse aufzuknöpfen, aber ich nahm ihre Hand und zog sie mit mir über scharfes Gestein zwischen niedrigen Dornensträuchern hindurch bis an den Rand des Plateaus, hoch über der Bucht.
Ich fegte mit dem Schuh ein paar lose Steine weg und setzte mich.
»Komm mal bitte.«
Marga ließ ihre Tasche fallen und setzte sich zwischen meine gespreizten Knie. Ich schlug die Arme um sie und legte meine Hände auf ihre Brust.
»Lass mich nur mal kurz schauen«, sagte ich.
Sie lehnte sich an mich und schloss die Augen. »Du darfst es mir aber nicht übel nehmen, wenn am Ende Sex dabei herauskommt.«
Ihr Haar roch nach Sonne.
Ich konnte die linke Hälfte von Xlendi sehen und fast die gesamte Bucht überblicken. Bäume standen auf der anderen Seite, wo die beiden Angler gesessen hatten. Das Meer war ruhig. Ich konnte keine gefährlichen Strudel entdecken. Vielleicht war das Monster nur während der Siesta aktiv.
Möglicherweise hatte Clara trotz ihrer zehn Jahre in Xlendi als Einzige nichts von den Monstern und Strudeln gewusst und ganz unschuldig versucht, von dem kleinen Strand unten auf die andere Seite zu schwimmen. Ich hatte keine Ahnung von den Strömungen hier, aber vielleicht war an dem Nachmittag Ebbe gewesen. Dann konnte eine Leiche von hier aus überallhin treiben, nach Sizilien, nach
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