Cleopatra
ebenfalls auf einen Insider hin, der an dem Bruch beteiligt war.
Schleierhaft war mir allerdings, warum sie das Risiko eingegangen waren, einen x-beliebigen Passanten als Fahrer anzuheuern. Das war es, was Gerrits Geschichte auch für die Kollegen in der Warmoesstraat so absolut unglaubwürdig machte. Sie waren raus, das Tor war zu – warum fuhren sie nicht einfach selbst mit der Beute davon?
Allerdings hätten sie den Lieferwagen bestimmt keine Sekunde lang aus den Augen gelassen, nicht mit einem Fremden am Steuer. Das bedeutete, dass sie ein Verfolgerauto bereitstehen hatten. Der mickrige Typ, wie Gerrit ihn beschrieben hatte, sieht ihn wegfahren und steigt in sein eigenes Auto, um ihm hinterherzufahren. Aber wo war jetzt der Insider? Auch im Verfolgerauto?
Zweifelsfrei fest stand jedenfalls, dass sie hinterhergefahren sein mussten und aus sicherer Entfernung zuschauten, wie die Sache in die Hose ging.
Die Sonne brach durch die Wolkendecke und Amsterdam sah wieder für kurze Zeit aus wie die schönste Stadt der Welt. Straßenmusikanten spielten auf dem Dam und Straßenjungen verkauften Tütchen mit Futter an die Touristen, damit diese sich mit flatternden Tauben auf Händen und Schultern fotografieren lassen konnten.
Im Café an der Ecke bestellte ich Kaffee und rief CyberNel an. Ihre Dachwohnung lag hier ganz in der Nähe, im Dirk van Hasseltsteeg. Ich sagte, ich hätte Arbeit für sie, und bat sie, ins Café zu kommen, dabei aber unauffällig so zu tun, als habe sie mich dort zufällig entdeckt. Ich rief die Zeitarbeitsfirma Hermes an und erreichte eine freundliche Dame, der ich mich als Jan van Tiel von der Firma De Goos & Bering vorstellte.
»Ich suche die Adresse von Bruno Kaiman, der hat ein paar Monate hier bei uns gearbeitet. Wir veranstalten ein Betriebsfest und möchten ihn gerne einladen. Er kam doch von Ihnen, oder?«
»Die Adresse müssten Sie doch in Ihrer Kartei haben?«, fragte die Dame.
»Ja, aber da müssten wir ins Büro vom Chef und dann müsste ich ihm erklären, warum ich sie haben will, und das geht leider nicht, denn es soll eine Überraschung für ihn sein.«
Die Leute fallen auf die unmöglichsten Geschichten herein, wenn man sie ihnen nur in einem absolut selbstverständlichen Ton präsentiert.
Ich notierte mir Kaimans Adresse in Tuindorp Oostzaan hinten auf der doppelt gefalteten Personalliste. Stirnrunzelnd schaute ich mir die Adresse an, die sich in günstiger Nähe zum Klaprozenweg befand.
Ich trug meinen Kaffee zu einem Tisch im hinteren Teil des Cafés und faltete die Liste auseinander, um die Adressen der übrigen Mitglieder des Personals zu überprüfen.
Mein Blick fiel auf den Namen Liesbeth de Ruiter und plötzlich wusste ich, warum das Relais in meinem Kopf geklickt hatte, als van Tiel sie Betty nannte. Es war eine dieser typischen Kleinigkeiten, wie man sie gern übersieht.
Ich sah CyberNel hereinkommen und im Dunkel des Cafés mit den Augen blinzeln. Sie ist zierlich gebaut, höchstens Kleidergröße sechsunddreißig, hat kurz geschnittenes rehbraunes Haar, intelligente grüne Augen und Sommersprossen auf der Nase. Sie ist nicht auffallend hübsch, weil sie auf modische Kleidung und Make-up keinen Wert legt, so dass man zweimal hinschauen muss, um festzustellen, dass sie einen sehr schönen Körper hat. Als ich sie kennen lernte, hatte sie gerade die Scheidung von einem Verkehrspolizisten hinter sich. Wäre der Mann beim technischen Überwachungsdienst gewesen, hätte die Ehe vielleicht länger gehalten.
Nel tat zunächst so, als wolle sie sich an einen anderen Tisch setzen, doch dann entdeckte sie mich und stieß einen demonstrativen Überraschungsschrei aus. Das halbe Café hob den Kopf, als ihre Unauffälligkeit wie eine Bombe einschlug.
»Max! Nein, so was! Ist das ein Zufall!«
Ich stand auf und küsste sie auf die Wange. »Du brauchst aber keine Staatsaktion draus zu machen.«
»Gib ruhig zu, dass du dich freust, mich zu sehen.«
»Ich freue mich, dich zu sehen.«
Es stimmte. Nel brachte mich immer in eine gute, fröhliche Stimmung, selbst wenn aus unserem Verhältnis nie mehr geworden war als Freundschaft. Oder vielleicht gerade deswegen.
Ich bestellte Kaffee für sie. »Du siehst gut aus.«
»Na klar. Sind sie hinter dir her?«
»Ich wollte nicht riskieren, dass mir jemand zu deiner Wohnung folgt.«
Sie grinste. »Du machst dir doch nicht etwa zufällig Sorgen um mich?«
»Mehr um meine Geheimwaffe.«
»Aha, dachte ich mir doch, dass die
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