Cleopatra
schwer zugängliche Hosentasche. Ihr Kaffee war inzwischen kalt geworden, aber sie rührte trotzdem darin herum und nahm einen Schluck.
»Möchtest du etwas anderes trinken?«
»Nein, ich habe zu Hause ein paar Programme laufen. Muss ich mir Sorgen machen?«
»Warum?«
»Ich sehe dir an, dass du dir Sorgen machst. Glaubst du, die Malta-Jungs waren dieselben Typen wie die in Muiden? Oder aus demselben Stall?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Der Deckname van Mierlo wurde vor kurzem in Ypern benutzt, bevor meine dortige Informantin ertrank.«
Nel wurde ernst und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das alles nicht.«
»Da bist du nicht die Einzige.«
Sie stand auf. »Diese Leute geben sich außergewöhnlich viel Mühe, etwas unter den Teppich zu kehren. Halt dich fern von dunklen Gassen. Das ist ein guter Rat von CyberNel.«
Sie kam um den Tisch herum, fasste mich an der Schulter, rieb über mein Jackett und spürte den Riemen meines Holsters. »Na ja, wenigstens etwas«, murmelte sie, gab mir einen flüchtigen Kuss, drehte sich um und verließ rasch das Café.
Was man am meisten vermisst, wenn man sich selbstständig macht, ist ein Partner. Es ist vorbei mit der Quatscherei im Dienst und man vereinsamt schnell, wenn keiner mehr da ist, dem man seine Gedanken mitteilen oder mit dem man Ideen austauschen kann. Wenn ein Fall bedrohliche Ausmaße annimmt, wird es außerdem riskant, andere mit hineinzuziehen.
Marga wusste schon mehr, als mir mittlerweile lieb war. Sie konnte in große Gefahr geraten, nicht nur, weil sie meine Freundin war, sondern auch, weil sie zu viel wusste.
Bei CyberNel war es etwas anderes. Nel hatte Ahnung von der Arbeit der Polizei und ich verließ mich felsenfest auf ihren gesunden Menschenverstand. Sie würde nie unnötige Risiken eingehen und außerdem konnte sie ihre Arbeit nur erledigen, wenn sie wusste, was los war und wonach sie suchen sollte. Trotzdem war ich mir bewusst, dass ich sie vor allem deshalb ins Vertrauen zog, weil sie mir so als Ersatz für einen Partner dienen konnte, der mir Gehör schenkte.
Ich fühlte mich wie der alte Mann und das Meer: In einem ramponierten Fischerboot sitzend, alle Angeln ausgeworfen, die meisten Haken ohne oder mit falschem Köder daran. Wenn dann irgendwann der gigantische Fisch anbeißt, geschieht es ebenso unerwartet wie bei dem alten Mann.
Eines war allerdings ganz sicher: Es musste mehr dahinter stecken als nur die kleinen Fische ehelicher Untreue und die Sorge um den guten Ruf und die Reputation eines Mannes. Wenn ich an dem falschen Haken zöge, würde der Fisch möglicherweise für immer in die Tiefe abtauchen und ich würde noch nicht einmal sein Skelett in den Hafen bekommen, um beweisen zu können, wie groß er wirklich war. Wenn ich aber an keinem einzigen Haken zöge, würde ich nie dahinter kommen. Mir schwebte vage ein Plan für einen der Haken vor, aber ich konnte nichts unternehmen, solange ich nicht Gewissheit über ein paar kleine Details hatte. Und die konnte ich nur von CyberNel bekommen oder von Lonneke.
Ich observierte seit ungefähr einer Stunde das bescheidene Einfamilienhaus von Bruno Kaiman in Tuindorp Oostzaan und kam zu dem Schluss, dass Bruno nicht zu Hause war, es sei denn, er lag im ersten Stock und schlief. Ich sah nur eine ältere Frau, die hin und wieder im Wohnzimmer erschien, um dort nicht erkennbare Dinge zu tun.
Ich stieg aus meinem Auto aus und überquerte die Straße. Dingdongtöne schallten durch den Flur, als ich auf die Klingel neben dem Namensschild B. KALMAN drückte.
Die Frau machte auf. Ich schätzte sie auf um die fünfzig. Sie hatte ein freundliches, aber energisches Gesicht. Für die Frau eines Mannes, der für eine Zeitarbeitsfirma arbeitete, schien sie mir ein bisschen alt.
»Guten Tag, Mevrouw, ich bin Jan Vestdijk. Ist Bruno zu Hause?«
»Nein, der ist auf der Arbeit.«
»Sind Sie seine Mutter?«
»Nein, ich bin die Wochenbetthilfe.«
Mein Unterkiefer klappte herunter.
Sie lachte. »Die beiden haben gerade ein Baby bekommen. Seine Frau liegt im Bett, sie ruht sich aus, aber wenn es etwas Dringendes ist, können Sie sie kurz sprechen.«
»Nein, ich muss mit ihm persönlich reden.«
»Meistens ist er so gegen sechs Uhr zu Hause.«
»War es am Samstag?« Ich sah, dass sie mich nicht verstand. »Die Geburt?«
»Ach so, ja, besser gesagt am Sonntagmorgen, es war eine schwere Geburt, im Krankenhaus. Frau Kaiman ist erst seit drei Tagen wieder zu Hause.«
Ich versuchte, meine
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