Cleopatra
Weiter habe ich nicht nachgeschaut.«
Belgien, dachte ich, und fragte mich, ob das etwas zu bedeuten hatte.
Ich sah keine Verbindung zu Ypern, selbst wenn ich mich noch so sehr anstrengte, an den kosmischen Zusammenhang aller Dinge zu glauben. Antwerpen und Ypern lagen weit voneinander entfernt und außerdem wurde das ›Belegte Brötchen‹ 1969 gegründet, während Clara erst in den siebziger Jahren in die Niederlande gekommen war.
»Ich rufe dich morgen früh an und frage nach, was du über Jean-Marie gefunden hast«, sagte ich.
»Willst du diesen Mann aufsuchen?«
»Wenn es notwendig ist, sollte ich es besser so bald wie möglich tun. Ich glaube nicht, dass unsere Gegner im Moment wissen, wo ich mich aufhalte«, sagte ich. »Außerdem bin ich mehr oder weniger in der Nähe.«
»Das ist relativ.«
»So ist das ganze Leben.«
Sie schwieg einen Moment und fragte dann: »Weißt du denn inzwischen, wer die Gegner sind?«
»Ich habe keine blasse Ahnung. Es gibt sie, das ist alles, was ich weiß. Wer sie sind, wissen wir erst, wenn wir dahinter kommen, was sie so unbedingt unter Verschluss halten wollen.«
»Du meinst Mord?«
»Ich glaube eher, dass der Mord eine Folge davon war, dass etwas geheim gehalten werden musste. Genau wie die Morde an Clara und Irene.«
»Sei bloß vorsichtig«, sagte Nel.
Ich nahm ein köstliches Schweizer Frühstück in der holzverkleideten Stube des Hotels ein und spazierte durch den kristallklaren Morgen hinauf zur Klinik. Keiner der Doktoren Grüber war in Sicht, doch bei der Rezeptionistin lag ein Umschlag für mich bereit, zusammen mit einer gepfefferten Rechnung, die ich mit meiner Kreditkarte bezahlte.
Der Umschlag vermittelte mir ein Gefühl der Genugtuung. Endlich hatte die lästige Routinearbeit ein erstes, greifbares Beweisstück erbracht. Ich zweifelte keinen Moment daran, dass sich Cleopatras Beinbruch als identisch mit dem des Skeletts unter dem Tennisplatz erweisen würde.
CyberNel meldete, dass Jean-Marie Boerman ein fünfundsiebzigjähriger, sehr wohlhabender Flame sei, der ursprünglich aus Antwerpen stammte. Er besaß dort diverse Immobilien und nannte eine Yacht in Monaco sowie das Luxushotel Azur in La-Grande-Motte sein Eigen.
»Ein wesentlich älterer Geliebter«, bemerkte Nel. »Als Cleo in der Schweiz war, war sie fünfundzwanzig und er um die fünfzig.«
»Ihr Vater war zwei Jahre vorher gestorben«, gab ich zu bedenken. »Vielleicht suchte sie eine Vaterfigur.« Ich notierte Adressen und Telefonnummern.
»Ich weiß nicht, wo sich Boerman im Moment aufhält. Ich habe nicht dort angerufen, um keine schlafenden Hunde zu wecken.«
»Gut. Hast du irgendeine Idee, wann oder bei welcher Gelegenheit er und Cleo sich kennen gelernt haben könnten?«
»Nein. Die einzige Verbindung ist dieser Matthieu. Ich habe bei seiner Geburtsadresse in Lille angerufen. Seine Mutter wohnt noch dort. Sie ist die Witwe eines Bruders von Jean-Marie. Matthieu war also sein Neffe. Matthieus Vater ist früh gestorben und nach Aussage seiner Mutter hat oncle Jean-Marie sich immer viel um Matthieu gekümmert, ihm das Studium finanziert und so weiter.« »Was heißt das, er war sein Neffe?«
»Matthieu ist Anfang der achtziger Jahre an Krebs gestorben.«
»Reichlich viele Tote«, bemerkte ich.
CyberNel gab mir Adresse und Telefonnummer. »Ich arbeite am Rest deiner Liste«, sagte sie schließlich. »Was die Gegenpartei betrifft, kann ich dir jetzt schon sagen, dass im Decknamenbestand der Leitstelle: Führungs- und Lagedienst und des Zentralen Kriminalpolizeilichen Informationsdienstes keine Gullits und van Mierlos vorkommen. Entweder sind das saubere Jungs ohne Strafregister oder aber sie haben die Decknamen nur für diese spezielle Gelegenheit benutzt.«
»Letzteres wahrscheinlich«, sagte ich. »Ich bezahle dich, sobald ich wieder zurück in Amsterdam bin. Du bist ein Schatz.«
»Haha«, spottete Nel und legte auf.
Ich schaute auf meine Uhr. Wenn ich mich beeilte, konnte ich gegen Mittag in Genf sein, aber ich konnte keinen Flug buchen, bevor ich nicht wusste, wohin es gehen sollte. Ich musste zunächst herausfinden, wo Boerman sich aufhielt.
Ich wählte die Nummer des Hotels Azur im architektonischen Wunder La-Grande-Motte und übte mein Französisch an der Rezeptionistin, die mich schließlich mit einem Sekretär verband. Dieser erwies sich als zweisprachiger Belgier.
»Herr Boerman ist zurzeit nicht anwesend«, sagte er.
»Kann ich ihn in Monaco
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