Cleopatra
den Kindergarten.«
»Darf ich einen kurzen Blick darauf werfen?«, fragte ich. »Vielleicht ist sie ja unter einem anderen Pseudonym abgestiegen.«
Sie drehte das Buch um und ich studierte die in Kästchen für Tage und Wochen eingeteilten Seiten des Monats Februar. Ich fand die Boermans sofort. Sie waren am zweiten Februar angekommen, hatten in einer der Suiten im zweiten Stock gewohnt und offenbar ursprünglich für zwei Wochen gebucht, denn in dem Kästchen für den fünfzehnten Februar war das Wort ›Verlängerung‹ eingetragen, gefolgt von einem langen Strich, der bis zum achten März auf der nächsten Seite durchlief.
Ich klappte das Buch zu und machte ein enttäuschtes Gesicht.
»Schade, nicht wahr?«, sagte sie mitfühlend.
Ich dankte ihr und konnte sie mit etwas Mühe dazu überreden, zwanzig Franken von mir anzunehmen.
Von meinem Zimmer aus rief ich CyberNel an. Ich erklärte ihr, wo ich war.
»Glückspilz,« sagte sie missmutig. »Hier gießt es wie aus Eimern.«
»Das ist meine Methode, um dich am Computer zu halten.«
»Pünktlich bezahlen ist schon Methode genug«, erwiderte sie schnippisch. »Ich arbeite an Brinkman und dem Rest. Liesbeth de Beus war Polizistin in Utrecht, bei der Kripo, Drogenfahndung. Damals hieß sie noch Barends. Sie hat im Januar 1980 gekündigt, aber irgendetwas ist faul daran. Ich glaube, dass es eine erzwungene Kündigung war, du weißt ja, wir machen um gewisse Dinge nicht so viel Aufhebens, wenn der Betreffende unverzüglich kündigt. Ich habe eine Freundin in der Personalabteilung, die sucht die Informationen für mich heraus.«
»Weiß die Freundin, wozu du sie brauchst?«
»Natürlich nicht, was denkst du denn? Aber ich sitze bis über beide Ohren in der Arbeit mit dem ›Belegten Brötchen‹. Die GmbH wurde in den sechziger Jahren von drei Studenten gegründet, die dafür ihr Geld zusammenlegten.«
»Drei Studenten?«
»Ja, der dritte war ein gewisser Matthieu Boerman, aber der ist 1971 ausgestiegen oder wurde ausgezahlt.«
Aufgeregt fragte ich: »Matthieu? Bist du ganz sicher, dass er nicht Jean-Marie hieß?«
Ein wenig gereizt erwiderte sie: »Nein, er hieß ganz sicher Matthieu. Sobald er draußen war, gründete das »Belegte Brötchen‹ eine Reihe von Tochtergesellschaften; damals waren solche Gründungen ja noch kein Problem. Diese Töchter wurden vor allem dazu gebraucht, die Sache so undurchsichtig wie möglich zu machen.«
»Kannst du eine Verbindung zu Cleopatra erkennen?«
»Die große Startinvestition wurde mit ihrem Geld getätigt. Das ist einfach nachzuvollziehen, weil ihr Textilerbe nahezu vollständig liquidiert wurde.«
»Liquidiert?«
»Ich meine damit, dass alle festen Anlagen, Anteile und Immobilien zu Geld gemacht wurden und nach dem ordnungsgemäßen Abzug der Steuern auf einem Gemeinschaftskonto gutgeschrieben wurden – auf dem gemeinsamen Konto von Josef und Cleo. Von dort aus wurde es in großem Stil über das ›Belegte Brötchen‹ investiert. Rund eine Million wurde ins Ausland transferiert, wahrscheinlich auf ein Privatkonto von Cleo.«
»Das ist aber kompliziert.«
»Ja. Eine Sache ist mir allerdings vollkommen schleierhaft. Cleveringa besaß nichts außer seiner heruntergekommenen Villa, Cleopatra hingegen war steinreich. Trotzdem hat sie ihn in Gütergemeinschaft geheiratet, und zwar in einer Form, die Notare gern als maßgerechte Regelung bezeichnen und die darauf hinauslief, dass er mit ihrem Geld tun und lassen konnte, was er wollte. Kannst du das verstehen?«
»Das ist wahre Liebe«, sagte ich.
»Oder totale Verblendung. Manche Leute machen das auch, damit sie keine Erbschaftssteuer zu zahlen brauchen, wenn einer von beiden stirbt. Möchtest du noch mehr Börsenberichte hören?«
»Erspare sie mir«, sagte ich. »Ich habe hier einen Jean-Marie Boerman.« Ich gab ihr meine Daten über den Skifreund von Cleopatra durch, inklusive Bankverbindung und Wohnort.
Nel pfiff ins Telefon. »Dass du auf einen Boerman stößt und ich auf einen anderen, ist aber ein merkwürdiger Zufall.«
»Was weißt du über diesen Matthieu?«
»Warte mal …« Ich hörte Papier rascheln. »Geboren 1950 in Lille, nicht das französische Lille, sondern ein Dorf in Belgien, in der Nähe von Antwerpen. Er war mit großem Abstand der jüngste der drei Teilhaber. Als sie die GmbH ›BB‹ gründeten, war er Student der Anthropologie im ersten Semester an der Freien Universität von Amsterdam und wohnte in einem Zimmer zur Untermiete.
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