Cleopatra
habt.«
»Daran habe ich auch schon gedacht.« Ich schaute in seine Augen, die manchmal aussahen wie Werkzeuge zum Streikbrechen. »Wenn es hart auf hart kommt, brauche ich vielleicht Hilfe.«
Willem grinste und stand auf. »Du brauchst nur Bescheid zu sagen. Ich wünsche den beiden Turteltauben eine gute Nacht.«
»Du kannst nach Hause fahren, wenn du willst.«
Er schüttelte den Kopf. »Das Gästezimmer gefällt mir sehr gut und Joop bringt morgen früh die Bretter für die Seitenwände. Gerrit kümmert sich um den Laden, ich mache Ferien.« Er blieb in der Tür stehen und schaute mich an.
»Mach dir bloß keine Sorgen wegen uns, auch wenn es etwas länger dauern sollte. Wir können ruhig auch noch einen Hühnerstall bauen, wenn wir mit der Garage fertig sind.«
»Und was sagt deine Frau dazu?«
Willem lachte. »Die hat mich schon seit dreißig Jahren um sich. Manchmal sind das ungefähr zehn Jahre mehr, als ihr lieb ist!«
10
Die Klänge von Setsukos Geige schwebten von der Dachwohnung herab. Die Büroklammer steckte nicht an ihrem Platz, aber ich roch Kaffee, etwas, womit einen Mörder nur dann erwarten, wenn sie etwas besonders Gemeines im Sinn haben. CyberNel saß an meinem Schreibtisch und schloss gerade ein Modem an meinen Computer an. Ich freute mich, sie zu sehen. Auch wenn sie eine Ballerina gewesen wäre oder vielleicht Kunstturnerin: Schlafwandlerisch sicher hätte sie nie einen falschen Schritt getan oder wäre vom Schwebebalken abgerutscht. Man konnte hundertprozentig auf sie zählen. Sie war intelligent und strahlte Wärme aus, und zwar nicht nur eine physische, sondern auch diese andere Art von Wärme, die bewirkte, dass man gern in ihrer Nähe war.
Ich beugte mich über sie, um ihr einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange zu geben. »Was machst du da?«
»Ich stelle eine vorübergehende Verbindung zu meiner Dachwohnung her«, sagte sie. »Macht dich diese Geige nicht manchmal wahnsinnig?«
»Nur wenn sie Schostakowitsch übt. Soll ich dir Kaffee einschenken?«
»Gerne. Schwarz, ohne Zucker. Wie war die Reise?«
»Boerman hat damals das Geld für diese GmbH vorgeschossen, um seinem Neffen einen Gefallen zu tun. So hat er Cleopatra kennen gelernt. Ich könnte mir denken, dass sich die beiden anfreundeten und später mehr daraus wurde. 1972 haben die zwei anderen den Neffen rausgeschmissen.«
»Ich glaube, das war eher Ende 1971«, sagte CyberNel.
»Kann schon sein. Seine Mutter meinte, sie wollten groß investieren und konnten Matthieu dabei nicht gebrauchen.«
Nel nickte. »Josef war damals schon mit Cleopatra verheiratet. Kurz nach der Hochzeit hat das ›Belegte Brötchen‹ einen Haufen Geld in ein Neubauprojekt in Italien, an der Adria, gesteckt.«
»Einen Haufen Geld?«
»Mindestens drei Millionen. Cleos Geld. Ein paar Jahre später sind sie dann damit Pleite gegangen.«
Ich blieb auf dem halben Weg zur Kaffeemaschine stehen. »War das eins dieser großen Investitionsprojekte?«
»Eines der ersten, als das Ganze noch aussah wie ein Huhn, das goldene Eier legt, mit klangvollen Namen im Aufsichtsrat, einer schicken Bank, wunderhübschen Farbprospekten, Besichtigungsreisen vor Ort, die Baustelle in voller Aktion. Aber dann kamen zwei oder drei geschickte Jungs, die sich genau im richtigen Augenblick verdünnisierten und wütende Bauunternehmer und betrogene Investoren zurückließen. Ich glaube, Cleopatra war nicht daran beteiligt.«
Ich dachte nach und schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht, aber das war nicht der Grund für Cleos Verschwinden.«
»Warum nicht?«
»Weil es viel zu früh war. Ich weiß nicht viel über Cleopatra, aber wenn sie wütend genug war, ihren Mann sitzen zu lassen, warum hätte sie dann zehn Jahre damit warten sollen?«
»Vielleicht geschah zehn Jahre später noch einmal so etwas und das war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.«
»Das Einzige, was zum Zeitpunkt von Cleos Verschwinden eine Rolle spielte, war, soweit wir wissen, das Problem Clara. Clara bekam ein Kind von ihrem Mann. Aber ich glaube nicht, dass Cleopatra das wusste. Meiner Meinung nach hat Cleveringa sich gerade deshalb von Clara freigekauft und sie nach Malta eskortieren lassen, weil er verhindern wollte, dass Cleo Wind von der Sache bekam.«
Nel machte ein nachdenkliches Gesicht. Manchmal hatte sie wirklich große Ähnlichkeit mit einer Katze.
»Was hat Boerman gesagt?«
»Boerman gibt zu, dass er ein Verhältnis mit Cleopatra hatte und dass sie
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