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Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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verschlungen. Der Junge schien erst ein wenig aufzuheitern, als Colin letzte Anweisungen erteilte, bevor die Jagd begann.
    In erster Linie waren es Standardratschläge über die Notwendigkeit, ständig das eigene Gewehr zu prüfen und es tunlichst zu vermeiden, auf andere Jäger zu zielen, aber er erwähnte auch nützliche Informationen über die verletzlichsten Stellen am Körper eines Tigers und dass man das Ziel von der Seite, am besten im Hals, treffen sollte. Colin, der stets an die Sicherheit der Gruppe dachte, reichte jedem ohne zu lächeln eine Trillerpfeife an einem Band und befahl ihnen, sie sich umzuhängen. Man sollte nur im äußersten Notfall pfeifen. »Sie ist kein Spielzeug und nicht zur Unterhaltung oder zum Scherz da«, erklärte er steif. Joe bemerkte, dass Colin Bahadur die Pfeife reichte, als er das sagte.
    Sie würden sich dem Nullah von der dem Wind abgekehrten Seite nähern und zeremoniell den letzten Teil der Reise auf dem Elefantenrücken zurücklegen. Fotoapparate wurden gezückt, als die Elefanten pflichtschuldigst aufmarschierten, majestätisch aussehend, die Haut mit wirbelnden Mustern in leuchtend bunten Farben bemalt, mit weichen Samttüchern über dem Rücken und goldenen Ornamenten auf der Stirn.
    »Joe, Edgar! Sie beide nehmen den hier«, rief Colin, und sie stellten sich auf eine Aufsitzhilfe und kletterten einer nach dem anderen in das Howdah mit dem Bambusgitter. Joe sah sich um und entdeckte zu seiner Freude die üppige Ausrüstung auf engstem Raum: Gewehrhalterungen, Patronentaschen, Flaschen mit Limonensaft, Flaschen mit Tee, ein Sonnenschirm, ein Ersatzhemd, ein Paar Handschuhe, ein Messer zum Häuten, ein Fotoapparat, ein Ken-dal-Pfefferminzkuchen und - am erstaunlichsten in der Hitze eines indischen Sommertages - eine große Decke.
    Edgar bemerkte Joes Überraschung. »Bienen«, erklärte er. »Im Fall eines Angriffs rollen Sie sich einfach in die Decke.«
    Der Mahout drehte sich grinsend zu ihnen um und verkündete, dass ihr Elefant Chumpah hieß und sie die älteste Elefantin in der Herde sei. Als sie losmarschierten und unbequem von einer Seite zur anderen schlingerten, konzentrierte sich Joe auf die Vorstellung der Grandezza eines früheren Zeitalters, als Hunderte dieser herrlichen Tiere an der Jagd teilgenommen hatten, den Tiger einkreisten, die Reiter mit ihren Speeren in Wurfweite des Raubtiers brachten und manchmal auch den Tiger zu Tode trampelten. Mit einem hohen Ruf und einem Tritt hinter die Ohren mit seinen Zehen überredete der Mahout Chumpah, sich schneller durch den Wald zu bewegen. Die Jagd hatte begonnen.
    Auf dem Zehnmeterbrett zu stehen und die Sekunden zu zählen, bevor man sprang, führte zu derselben Art von Anspannung. Joe leckte sich die trockenen Lippen. Er wischte sich die verschwitzten Hände am Hosenboden ab, eine nach der anderen. Neun Uhr, und die Hitze war bereits unerträglich, sogar hier oben unter dem Blätterdach. Er musste an Sir George in den Bergen von Simla denken. Wahrscheinlich trank er gerade Tee auf dem Rasen, im Schatten der Zedern, während eine erfrischende Brise vom Himalaya herunterwehte. Joe inspizierte sein Gewehr. In den letzten drei Minuten hatte er das dreimal getan. Ein Teil des Stahllaufes, der der prallen Sonne ausgesetzt gewesen war, versengte ihm die Hand. Sogar das Gewehr überhitzte. Er würde bald Handschuhe brauchen. Aha, dafür waren die Handschuhe also gedacht! Er fragte sich nervös, ob die Hitze die Leistung des Gewehrs beeinträchtigen würde. Hatte Colin diesbezüglich etwas gesagt? Joe sah von seinem Hochsitz in viereinhalb Metern Höhe nach Süden zum Flussbett und versuchte, einen Blick auf Edgar zu erhaschen, der gegenübersaß. In dem Baum, in dem sich Edgars Machan befand, war keine Bewegung auszumachen. Auch nicht in Claudes Baum rechts von Joe. Colin hatte die Verstecke bestens ausgewählt.
    Joe konzentrierte sich wieder auf den Nullah mit seinen etwas über einhundert Metern Durchmesser. Er sah den Gobelin aus goldenen Gräsern, einige schwankten in einer Brise, die er nicht fühlen konnte, andere ragten in Habachtstellung höher als der Kopf eines Mannes. Die Tigerin mit ihrem gestreiften Fell konnte überall im Unterholz lauern, und sie würden sie erst entdecken, wenn sie beschloss, ihre Deckung zu verlassen. Hier und da, wo das Gras weniger üppig wucherte, gab es Streifen aus Erde - roter Sand, der sich durch das ausgetrocknete Flussbett zog. Joe kam zu dem Schluss, dass er nur eine einzige

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