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Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Cleverly, Barbara - Die List des Tigers

Titel: Cleverly, Barbara - Die List des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die auf dem Rücken lag. Als er sie kommen hörte, stand er auf, mit hilflos baumelnden Armen. Seine Khakihosen und sein Hemd waren dunkel vor Schweiß und Blut, und Tränen strömten über sein Gesicht. Mit einer blutbefleckten Hand scheuchte er sie fort.
    »Zu spät. Er ist tot. Der verdammte Tiger hat ihn erwischt!«
    In schweigendem Entsetzen sammelten sie sich um die Leiche von Bahadur. Der Schock betäubte sie für die vernichtenden Gefühle von Angst, Schuld und Reue, die sie später heimsuchen würden.
    »Fassen Sie die Leiche nicht an!«
    Auf den Befehl von Joe hin hielten sich Edgar und Colin zurück. Nur mit den Augen nahmen sie die Szene auf. Irgendwo hinter ihnen ertönte der verzweifelte Aufschrei von Shubhada, und Claude begab sich an ihre Seite, leise auf sie einsprechend. Automatisch übernahm Joe das Sagen. Er kniete nieder, um die Leiche zu examinieren, doch er konnte nicht ertragen, was er auf dem Gesicht des Jungen sah, diesen Blick aus Erstaunen und Entsetzen. Sanft schloss Joe Bahadurs Augenlider und richtete seine Aufmerksamkeit auf die tödliche Wunde.
    Der Hals war zerfetzt worden, von den Klauen eines Tigers durchfurcht. Der Junge war zweifellos am Blutverlust und vielleicht am Schock angesichts der Attacke gestorben. Weitere Klauenspuren waren auf der Brust zu sehen, wo seine Tunika zerrissen war.
    »Sein Gewehr?«, erkundigte sich Joe.
    »Er hat es auf dem Machan zurückgelassen«, antwortete Shubhada.
    Joe erinnerte sich an sein eigenes Entsetzen, als er angegriffen worden war, und dabei hatte er den Trost eines Holland-&-Holland-Gewehrs in seiner Hand genossen. Er vermochte sich das Entsetzen nicht vorzustellen, das Bahadurs letzte Augenblicke erfüllt haben musste. Voller Mitleid sah er auf ihn hinab und bemerkte etwas Seltsames an der Lage der kindlichen Leiche. Der rechte Arm war am Ellbogen abgewinkelt, der Unterarm und die Hand lagen unter der Hüfte. Vorsichtig hob Joe die leichte Gestalt einige Zentimeter an und zog den Arm hervor. Ein kleiner, schwarzer Revolver, den Bahadur umklammert hatte, fiel Joe zu Füßen.
    Mit einem Aufkeuchen wendete Joe das Gesicht ab, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte. Schließlich sah er zu Colin und Edgar auf. »Das ist mein Revolver«, sagte er. »Bahadur hat ihn so bewundert, dass ich ihm den Revolver gab. Zum Schutz. Der arme, kleine Dummkopf! Er hat versucht, sich mit meiner lächerlichen Knallbüchse zu verteidigen!«
    »Die hätte gegen einen Tiger auch dann nichts genützt, wenn er sie rechtzeitig gezogen hätte«, bemerkte Edgar und hob den Revolver auf.
    »Man würde einen Zahnstocher verwenden, wenn das alles wäre, was man hätte«, meinte Colin bitter. Er sah sich auf dem zertrampelten Gras um und prüfte den Boden um die Leiche.
    »Halten Sie alle zurück!«, fauchte Joe befehlsgewohnt, als er die Menge an Treibern und Jagdhelfern hörte, die sich am Rand des Dickichts einfand. Edgar zog los, um die Anweisung weiterzugeben und als Wache zu fungieren.
    Doch keine Wache war stark genug, um Ajit Singh zurückzuhalten, der einen Augenblick später eintraf. Seine Selbstsicherheit wurde kurzzeitig durch den Anblick von Bahadur erschüttert. Er marschierte direkt zur Leiche, außer sich vor Wut.
    »Sandilands, was ist hier geschehen?«, verlangte er zu wissen. »Vyvyan, ich kann nicht glauben, dass das direkt unter Ihrer Nase passieren konnte!«
    Er hörte aufmerksam zu, als Joe ihm die Einzelheiten berichtete; sein Blick wanderte ständig über die Szene, um alles in sich aufzunehmen. Joe hätte schwören können, dass Ajit Singh sich die Stellung jedes einzelnen Grashalms merkte.
    »Ist wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt, um zu fragen, Ajit«, meldete sich Claude kühn zu Wort. »Aber es liegt mir daran, die Abfolge der Geschehnisse festzuhalten, solange sie noch frisch in unserer Erinnerung sind. Sagen Sie, warum haben Sie nicht auf die Tigerin geschossen, als sie in Ihr Blickfeld kam? « Er wandte sich an die anderen und fügte hinzu: »Ich habe sie von meinem Machan aus deutlich gesehen. Sie war gleichauf mit Ajit Singh - das perfekte Ziel -, aber wir hörten nichts von ihm. Ich erinnere mich noch, wie erstaunt ich war. Waren Sie eingeschlafen, Ajit? Ich wartete, bis die Tigerin in meinen Abschnitt kam, und feuerte. Sie floh mit erhobenem Schwanz. Hatte sie leider verfehlt. Bin kein guter Schütze. Nun, Ajit?«
    Wie hatte Madeleine es formuliert? >Ein Kleinkind, das einem Grizzly ins Auge bohren will