Cleverly, Barbara - Die List des Tigers
Bruder Unterschlupf finden, bis Sie beide von hier verschwinden können?«
Madeleine schenkte ihm einen weiteren ihrer langen, ungläubigen Blicke. »Stuart ist - wie soll ich es ausdrücken? - anderweitig beschäftigt und wäre sehr verstimmt, wenn er einen schwesterlichen Besuch erhielte. Er muss nicht einmal Schach spielen, um die Mädchen zu bekommen! Und mir fällt auf, dass Sie eben zugegeben haben, wie feindselig die Situation hier ist. Haben Sie mitbekommen, dass Sie >von hier verschwinden< sagten? Wie in >fliehen Tja, genau das habe ich vor. Ich verschwinde von hier, Joe. Wenn ich in einem von Prithvis Flugzeugen nach Delhi fliegen muss, dann tue ich es! Aber ich gehe nicht mit leeren Händen. Ich habe ihm zwei Jahre meines Lebens geschenkt, und jemand muss mir diese zwei Jahre bezahlen. Ich muss nur lange genug am Leben bleiben, um mit Udai Singh zu reden . mit ihm eine Einigung zu erzielen . und ich versichere Ihnen, ich habe eine Fahrkarte nach draußen! Falls Sie bei Verstand sind, sitzen Sie auf dem Copilotensitz, wenn ich abhebe, Joe.«
»Es würde mir entgegenkommen, Madeleine, wenn Sie und Ihr Bruder noch eine Weile in Ranipur blieben. Wie Sie sich erinnern wollen, haben Sie mich selbst um meine Meinung bezüglich des Flugzeugabsturzes gebeten, bei dem Ihr Ehemann ums Leben kam, und auch der Vertreter der britischen Regierung hat mich aufgefordert, in diesem Fall zu ermitteln. Sie und Ihr Bruder sind für die Ermittlung von entscheidender Bedeutung und dürfen nicht abreisen, ehe ich alle Beweise und Zeugenaussagen gesammelt habe.«
Madeleine lachte höhnisch auf. »Ach ja? Hat man Ihnen in Simla nicht gesagt, dass die Briten in diesem Staat weder zivile noch strafrechtliche Kompetenzen besitzen? Sie können ermitteln, so viel Sie wollen, Joe, und es wäre wirklich nett zu wissen, wer hier reihenweise die Thronerben ermordet, aber mit Ihren Informationen können Sie absolut gar nichts anfangen. Sie können nur einen Bericht erstatten, wenn Sie heimkehren ... falls man Sie heimkehren lässt!«
Joe erlaubte sich ein trockenes Lachen. »Das ist eine ziemlich simplifizierte, aber - zugegebenermaßen - akkurate Zusammenfassung meiner Einsatzbesprechung. Sagen Sie es nicht: Stehen Sie auch auf der Gehaltsliste von Sir George?«
»Habe den Kerl nie getroffen.«
»Ist noch ein Rest in dieser Flasche?«
Joes Stimmung verschlechterte sich von Minute zu Minute. Aufregung und Wut ebbten ab und hinterließen ein nachdenkliches Mitgefühl für die Hoffnungslosigkeit von Madeleines Situation. Er beobachtete voller Mitleid, wie sie zwei Gläser suchte und sie ungeschickt mit Champagner füllte. In dunkler Vorahnung vermutete er, dass sie mit jemand über ihre Trauer reden musste, und er fragte sich aufgebracht, warum sie nicht Lizzie Macarthurs Angebot eines sicheren Hafens und eines mitfühlenden Ohrs angenommen hatte. Aber natürlich besaß er eine besondere Anziehungskraft, über die Lizzie nicht verfügte: In einer verzweifelten Lage schlagen ein Revolver und eine ruhige Hand jederzeit einen Sonnenschirm und eine spitze Zunge.
Joe betrachtete Madeleine wachsam, als er mit ihr anstieß. »Sie sind eine findige Frau, Madeleine. Aber, ganz ehrlich, wie sehen Ihre kurzfristigen Pläne aus?«
»Sie meinen, wie schnell Sie mich wieder loswerden?« Sie lachte. »Machen Sie sich keine Sorgen, Joe. Ihre Tugend ist bei mir sicher! Ich widerstehe mühelos tropfnassen, abschwellenden, missbilligenden Cops. Ich werde hier schlafen - auf der Couch. Ich habe zwei Ihrer Kissen gemopst und Ihr Badezimmer benutzt - meine Zahnbürste habe ich mitgebracht. Hier bitte, der Rest gehört Ihnen!«
Sie leerte ihr Glas, kickte sich die Schuhe von den Füßen und stolperte zur Couch. »Ich sehe Sie dann morgen früh, Joe. Träumen Sie süß!«
Der Champagner war immer noch gekühlt, sprudelte und besaß eine Herbheit, die seiner Stimmung entsprach. Joe nahm die Flasche und war überrascht, dass sie nur halb leer war. Es schien keinen Grund zu geben, sie nicht vollends zu leeren. Er goss sich noch ein Glas ein und nippte leise, setzte sich an den Rand seines Betts und wartete. Nach ein paar Minuten Kissenklopfen, Herumwerfen und unterdrückten Flüchen verstummte sein Gast, und es wurde still. Als er absolut sicher war, dass Madeleine schlief, ging er ins Bad und verbrachte lange, luxuriöse Minuten unter seiner lauwarmen Dusche. Zu spät merkte er, dass Madeleine sich auch seinen Bademantel unter den Nagel gerissen hatte, und
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