Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
als stürbe er nimmer«, murmelte Magnus.
Fragend schaute Will auf. »Woher ist das?«
»Aus Aurelius Augustinus’ Bekenntnisse«, erläuterte Magnus. »Du hast mich gefragt, wie ich als Unsterblicher so viele Tode überstanden habe. Dahinter steckt kein großes Geheimnis. Man erduldet das Unerträgliche und erträgt es. Das ist alles.« Er drehte sich von Jems Bett weg. »Ich lass dich jetzt einen Moment mit ihm allein, damit du dich verabschieden kannst. Du findest mich in der Bibliothek.«
Will nickte stumm, während Magnus seine Handschuhe nahm und dann das Zimmer verließ. Wills Gedanken überschlugen sich förmlich. Erneut warf er einen Blick auf Jem, der noch immer reglos in seinem Bett lag. Ich muss akzeptieren, dass dies jetzt das Ende ist, überlegte er, und selbst seine Gedanken fühlten sich unbedeutend und fremd an. Ich muss akzeptieren, dass Jem mich nie wieder ansehen kann, nie wieder mit mir reden wird. Man erduldet das Unerträgliche und erträgt es. Das ist alles.
Trotzdem erschien ihm diese Vorstellung völlig unwirklich, als wäre das Ganze ein Traum. Will stand auf und beugte sich über Jems reglosen Körper. Behutsam berührte er die Wange seines Parabatai . Sie war eiskalt.
»Atque in perpetuum, frater, ave atque vale«, wisperte er. Die Worte dieses Gedichts waren ihm nie passender erschienen: Und in Ewigkeit sei gegrüßt und leb wohl, mein Bruder.
Langsam richtete er sich auf und wandte sich zum Gehen. Doch im selben Moment spürte er, wie ihn etwas fest am Handgelenk packte. Er schaute nach unten und sah, dass Jems Finger sich um seine Hand gelegt hatten. Einen Augenblick war Will so geschockt, dass er einfach nur stumm darauf starren konnte.
»Ich bin noch nicht tot, Will«, sagte Jem leise. Seine Stimme klang zwar so dünn, aber gleichzeitig so fest wie ein Draht. »Was hat Magnus gemeint, als er dich gefragt hat, ob ich wüsste, dass du Tessa liebst?«
11
F ÜRCHTE DIE DUNKLE N ACHT
Wenn meine Seel in Finsternis auch schwebt,
Zu neuem Licht sie sich schon bald erhebt;
Zu sehr liebt’ ich der Sterne Wacht,
als dass ich fürchte die dunkle Nacht.
S ARAH W ILLIAMS , »D ER ALTE A STRONOM «
»Will?«
Nachdem Will so lange in Grabesstille dagesessen hatte, die nur von Jems schwerem, unregelmäßigem Atem unterbrochen worden war, dachte er einen Augenblick lang, er hätte Wahnvorstellungen und würde sich die Stimme seines besten Freundes, die aus dem Halbdunkel mit ihm sprach, nur einbilden. Als Jem sein Handgelenk freigab, sank Will zurück in den Sessel am Bett. Sein Herz schlug wie wild, mit einer Mischung aus Erleichterung und mulmiger Furcht.
Jem drehte den Kopf auf dem Kissen und schaute in Wills Richtung. Seine Augen waren dunkel, ihr Silberton von der schwarzen Pupille verdrängt. Ein paar Sekunden lang sahen die beiden jungen Männer einander nur an. Der Moment fühlte sich an wie die Ruhe, die ihn während jedes Kampfes überkam, dachte Will, sobald sich die Gedanken in Luft auflösten und einem Gefühl der Unabwendbarkeit wichen.
»Will«, sagte Jem erneut, musste dann jedoch husten und hielt sich eine Hand vor den Mund. Als er sie wieder herunternahm, schimmerte Blut an seinen Fingern. »Habe ich … habe ich das geträumt?«
Ruckartig setzte Will sich auf. Jem hatte so klar, so sicher geklungen: Was hat Magnus gemeint, als er dich gefragt hat, ob ich wüsste, dass du Tessa liebst? Doch jetzt schien es, als sei dieser Anflug von Kraft und Energie wieder verflogen, denn er machte einen benommenen, verwirrten Eindruck.
Hatte Jem wirklich gehört, was Magnus gesagt hatte? Und falls ja, bestand möglicherweise die Chance, das Ganze als einen Fiebertraum, eine Halluzination abzutun? Der Gedanke erfüllte Will mit Erleichterung und Enttäuschung zugleich. »Was hast du geträumt?«, fragte er.
Nachdenklich betrachtete Jem seine blutbeschmierte Hand und ballte sie langsam zur Faust. »Der Kampf im Innenhof. Jessamines Tod. Und diese Automaten … Sie haben Tessa verschleppt, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Will leise und wiederholte die Worte, die Charlotte Stunden zuvor ihm gegenüber geäußert hatte. Sie hatten ihn nicht trösten können, aber vielleicht halfen sie ja Jem. »Ja, das ist richtig. Aber ich glaube nicht, dass sie ihr etwas antun werden. Vergiss nicht, dass Mortmain Tessa immer unversehrt in seine Gewalt bringen wollte.«
»Wir müssen sie finden. Das weißt du ganz genau, Will. Wir müssen …« Jem versuchte, sich aus den Kissen hochzudrücken und
Weitere Kostenlose Bücher