Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
die die Straße als Wæcelinga Stræt bezeichneten und von den letzten Truppen Boadiceas flüsterten, die hier vor vielen, vielen Jahren von den Römern vernichtend geschlagen worden waren.
Will blickte nachdenklich über die Landschaft. Inzwischen war es drei Uhr nachmittags und der Himmel begann, sich bereits dunkel zu färben, was bedeutete, dass er bald ein Nachtlager in einem Gasthof finden musste, wo er und Balios rasten konnten. Und dennoch kehrten seine Gedanken unwillkürlich zu Tessa zurück und zu dem Moment, als er ihr gesagt hatte, Boadicea habe bewiesen, dass auch Frauen kämpfen könnten. Allerdings hatte er Tessa zu dem Zeitpunkt noch verschwiegen, dass er ihre Briefe gelesen und sich bereits in die Kriegerseele verliebt hatte, die sich hinter ihren ruhigen grauen Augen verbarg.
Er erinnerte sich an einen früheren Traum, in dem er unter einem hohen blauen Himmel mit Tessa auf einem grünen Hügel gesessen hatte. Du wirst immer den wichtigsten Platz in meinem Herzen einnehmen. Eine heiße Wut erfasste seine Seele. Wehe, Mortmain rührte Tessa auch nur an! Sie war eine von ihnen. Sie gehörte Will zwar nicht – Tessa war viel zu sehr sie selbst, um irgendjemandem zu gehören, einschließlich Jem –, aber sie gehörte zu ihnen. Und Will verwünschte den Konsul innerlich dafür, dass er das nicht begriff.
Aber er würde sie finden. Er würde sie finden und nach Hause bringen. Und selbst wenn sie ihn niemals lieben würde, konnte er damit leben, denn er hätte dies hier auf jeden Fall getan – für sie und für sich selbst.
Entschlossen wirbelte Will zu Balios herum, der ihn misstrauisch musterte, und schwang sich in den Sattel. »Komm schon, alter Knabe«, murmelte er. »Die Sonne geht bald unter und wir müssen versuchen, noch vor Anbruch der Dunkelheit Hockliffe zu erreichen, denn es sieht ganz nach Regen aus.« Dann drückte er seinem Pferd die Fersen in die Flanken, woraufhin Balios davonschoss, als hätte er die Worte seines Reiters genau verstanden.
»Er ist allein nach Wales aufgebrochen? Mutterseelenallein?«, hakte Charlotte nach. »Wie konnten Sie nur zulassen, dass er so etwas… so etwas Dummes tut?«
Magnus zuckte die Achseln. »Es ist nicht meine Aufgabe, eigensinnige Schattenjäger auf den rechten Pfad zu bringen, weder jetzt noch irgendwann in ferner Zukunft. Genau genommen, wüsste ich nicht, warum Sie ausgerechnet mir die Schuld daran geben wollen. Ich habe die ganze Nacht in der Bibliothek verbracht und darauf gewartet, dass Will kommt und mit mir redet – was er aber nicht getan hat. Irgendwann bin ich dann in der Abteilung für Lykanthropie und Tollwut eingenickt. Woolsey beißt gelegentlich und ich mache mir Sorgen.«
Keiner der Anwesenden ging auf diese Information ein, obwohl Charlotte angespannter wirkte denn je. Das Frühstück war zunächst recht ruhig und still verlaufen, da eine ganze Reihe der Institutsbewohner fehlte. Wills Abwesenheit hatte also niemanden besonders beunruhigt. Charlotte hatte angenommen, dass er an der Seite seines Parabatai war. Erst als Cyril aufgeregt ins Speisezimmer platzte und atemlos von Balios’ Verschwinden berichtete, hatten bei Charlotte sämtliche Alarmglocken geschrillt.
Eine rasche Durchsuchung des Instituts hatte Magnus Bane zutage gefördert, der in einer Ecke der Bibliothek schlief. Charlotte hatte ihn wach gerüttelt. Auf ihre Frage, wo Will seiner Ansicht nach wohl stecken konnte, hatte der Hexenmeister ganz offen erwidert, er ginge davon aus, dass Will sich bereits auf dem Weg nach Wales befände, um Tessa zu retten und zum Institut zurückzubringen – sei es nun mit List und Tücke oder unter Anwendung von Gewalt. Zu Magnus’ Überraschung hatte diese Information Charlotte in Panik versetzt. Hektisch hatte sie eine sofortige Sitzung in der Bibliothek anberaumt, zu der alle Schattenjäger des Instituts, mit Ausnahme von Jem, zu erscheinen hatten. Selbst Gideon hatte sich humpelnd und mithilfe eines Gehstocks auf den Weg gemacht.
»Weiß irgendjemand, wann Will aufgebrochen ist?«, fragte Charlotte nun fordernd; sie stand am Kopf des langen Lesetischs und schaute eindringlich in die Runde.
Cecily, die die Hände vor sich auf dem Tisch gefaltet hatte, entwickelte plötzlich ein lebhaftes Interesse an dem Muster des Teppichs unter ihren Füßen.
»Das ist ein sehr schönes Schmuckstück, das du da trägst, Cecily«, bemerkte Charlotte und betrachtete den Rubin an der Kehle des Mädchens. »Ich kann mich nicht erinnern,
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