Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Bäumen. Im Zentrum der halbkreisförmigen Gartenanlage befand sich ein Springbrunnen, in den eine Statue der Göttin Venus Wasser goss. Weitere Statuen säumten die Wege, die strahlenförmig vom Zentrum abgingen: berühmte Politiker und Geschichtsschreiber der Antike wie Caesar, Herodot oder Thukydides, aber auch Dichter und Dramatiker wie Aristoteles, Ovid und Homer. Tessa hastete gerade an den Statuen von Vergil und Sophokles vorbei, als ein markerschütternder Schrei die Stille zerriss.
Sofort wirbelte Tessa herum. Ein paar Meter hinter ihr stand Tatiana stocksteif da, mit schreckgeweiteten Augen. Tessa stürmte zu ihr, und als sie sie erreichte, krallte Tatiana sich blind an ihr fest, als hätte sie im Moment vergessen, wer Tessa war.
»Rupert«, stöhnte sie und starrte geradeaus.
Tessa folgte ihrem Blick und entdeckte einen Stiefel, der unter einer Hecke hervorragte. Einen Augenblick lang nahm Tessa an, dass Rupert bewusstlos auf dem Boden lag, der Rest seines Körpers hinter dem Blattwerk versteckt. Doch als sie sich vorbeugte, erkannte sie, dass der Stiefel und ein paar Zentimeter angefressenes, blutiges Gewebe, das aus dem Stiefelschaft herausragte, das Einzige waren, was es dort zu sehen gab.
»Ein zwölf Meter langer Wurm?«, murmelte Will, während er und Jem sich – dank der Unhörbarkeitsrunen – lautlos durch den italienischen Garten bewegten. »Denk nur mal an den Fisch, den wir damit fangen könnten.«
Jem musste unwillkürlich grinsen. »Das ist nicht lustig!«
»Ein bisschen schon.«
»Du kannst die Situation nicht auf Wurmwitze reduzieren, Will. Wir reden hier schließlich von Gabriels und Gideons Vater.«
»Wir reden nicht nur von ihm, wir jagen ihn sogar durch einen Skulpturengarten, weil er sich in einen Wurm verwandelt hat.«
»In einen dämonischen Wurm«, berichtigte Jem ihn und spähte vorsichtig um eine Hecke. »Eine riesige Schlange. Hilft das vielleicht gegen deinen unangemessenen Humor?«
»Es hat einmal eine Zeit gegeben, in der dir mein unangemessener Humor ein gewisses Vergnügen bereitet hat«, seufzte Will. »Wie sich der Wurm doch gewunden hat.«
»Will …«, setzte Jem an, wurde aber von einem schrillen Schrei unterbrochen.
Beide Jungen wirbelten herum und sahen, wie Tatiana Blackthorn Tessa in die Arme fiel. Tessa fing sie auf und stützte sie, während Cecily sich auf eine Öffnung in der Hecke zubewegte und mit der Leichtigkeit der geübten Schattenjägerin ihre Seraphklinge zückte.
Will konnte zwar nicht hören, was seine Schwester sagte, aber die Klinge leuchtete sofort auf, erhellte ihr Gesicht und erfüllte Will mit einem überwältigenden Gefühl der Angst. Hastig setzte er sich in Bewegung, Jem dicht hinter ihm.
Tatiana hing schlaff in Tessas Armen und wimmerte mit schmerzverzerrtem Gesicht: »Rupert! Rupert!« Tessa kämpfte mit dem Gewicht des anderen Mädchens und Will wollte ihr zu Hilfe eilen, doch Jem war bereits bei ihr und griff Tessa unter die Arme. Und das war auch richtig so. Schließlich war er ihr Verlobter.
Entschlossen riss Will sich von ihrem Anblick fort und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Schwester. Cecily trat gerade zwischen den Hecken hindurch, die Klinge hocherhoben in der Hand, während sie sich vorsichtig um Rupert Blackthorns grausige sterbliche Überreste herumbewegte.
»Cecily!«, rief Will aufgebracht, woraufhin sie sich langsam zu ihm umdrehte …
Im selben Augenblick schien die Welt um sie herum zu explodieren. Eine Fontäne aus Erde und Dreck brach vor ihnen aus dem Boden hervor und schoss wie ein Geysir hoch in den Himmel hinauf. Erdklumpen und Steine hagelten herab und in der Mitte der Fontäne stieg eine gewaltige Schlange auf, mit lidlosen, blinden Augen und schuppiger, grauweiß schimmernder Haut. Die Farbe von totem Gewebe, dachte Will unwillkürlich. Ein furchtbarer Gestank ging von der Kreatur aus, wie der Verwesungsgeruch eines Grabes. Tatiana brachte ein Wimmern hervor, erschlaffte vollständig und zog Tessa mit sich zu Boden.
Der Wurm wand sich hin und her, um sich aus dem Erdreich zu befreien. Wütend sperrte er das Maul auf, das seinen Kopf in zwei Hälften teilte wie ein gewaltiger, mit haifischartigen Zähnen besetzter Schlitz, und stieß ein heiseres Zischen aus.
»Halt!«, schrie Cecily, die flammende Seraphklinge vor sich ausgestreckt. Sie wirkte vollkommen furchtlos. »Verschwinde, du elende Kreatur!«
Ruckartig warf der Wurm den Kopf zu ihr herum. Cecily stand unerschütterlich da,
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