Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Mischung aus inniger Liebe und großem Kummer gleichermaßen. »Küss mich«, flüsterte sie.
Langsam, sehr langsam senkte er sich auf sie herab, bis ihre Lippen sich leicht berührten. Tessa wölbte sich ihm entgegen, wollte seinen Mund mit ihrem umfangen. Doch er zog sich zurück, liebkoste ihre Wange, setzte kleine Küsse auf ihre Mundwinkel und fuhr dann mit den Lippen über ihren Kiefer, ihren Hals, hinunter zu ihrer Kehle und sandte dabei ein elektrisierendes Kribbeln durch ihren ganzen Körper. Tessa hatte ihre Arme, ihre Hände, ihren Hals und ihr Gesicht immer als voneinander losgelöst betrachtet, hatte nie daran gedacht, dass ihre Haut eine durchgehende, empfindsame Hülle bilden könnte und dass sie einen Kuss in der Kehlgrube bis in ihre Zehenspitzen hinein würde spüren können.
»Will.« Ihre Hände zerrten hastig an seinem Hemd …
… sodass die Knöpfe abplatzten, das Gewebe nachgab und Will sich mit einem ungeduldigen Schütteln davon befreite. Seine dunklen Haare flogen wild hin und her und erinnerten Tessa an Heathcliff im Moor. Dann streiften seine Hände etwas weniger sicher über ihr Kleid.
Doch schließlich war auch das über den Kopf gezogen und beiseitegeworfen, sodass nur ihr Hemd und ihr Korsett zurückblieben. Tessa erstarrte; niemand außer Sophie hatte sie bisher in einem derart unbekleideten Zustand gesehen.
Will warf einen wilden Blick auf ihr Korsett, aus dem aber nicht nur Begehren sprach. »Wie …«, stammelte er, »wie zieht man das aus?«
Und Tessa musste trotz der ganzen Situation kichern. »Es ist geschnürt«, wisperte sie. »Im Rücken.« Dann führte sie seine Hände um ihren Rumpf, bis seine Finger die Schnüre des Korsetts fanden. Ein Beben ging durch ihren Körper – nicht vor Kälte, sondern wegen der Intimität dieser Berührung.
Sanft zog Will sie an sich und küsste erneut die Rundung ihrer Kehle bis hin zu ihrer nackten Schulter, sein Atem weich und warm auf ihrer Haut, bis Tessas Puls genauso schnell ging wie seiner. Ihre Hände glitten über seine Schultern, seine Arme, seine Hüften. Sie küsste die weißen Narben seiner verblassten Runenmale und wand sich um seinen Körper, bis sie beide nur noch aus leidenschaftlich verschlungenen Gliedmaßen zu bestehen schienen und Tessa Wills stoßweisen Atem an ihren Lippen und dann tief in ihrem Mund spürte.
»Tess«, flüsterte er. »Tess – wenn du aufhören möchtest …«
Stumm schüttelte Tessa den Kopf. Das Feuer im Kamin war ein weiteres Mal fast vollständig heruntergebrannt und malte Licht und Schatten auf Wills Körper, der sich weich und hart auf sie presste. Nein, nicht aufhören.
»Möchtest du wirklich?« Seine Stimme klang heiser.
»Ja«, wisperte Tessa. »Und du?«
Sein Finger zeichnete die Konturen ihres Mundes nach. »Für das hier hätte ich ewige Verdammnis in Kauf genommen. Für das hier hätte ich alles gegeben.«
Tessa spürte ein Brennen hinter den Augen, den Druck von Tränen, und blinzelte dann gegen die feuchten Wimpern an. »Will …«
»Dw i’n dy garu di am byth«, sagte er. »Ich liebe dich. Immer und ewig.« Und dann bewegte er sich, bis er ihren Körper mit seinem bedeckte.
Tief in der Nacht oder früh am Morgen wachte Tessa auf. Das Feuer war erloschen, doch der Raum wurde von dem eigenartigen Schein der Fackeln erhellt, die offenbar ohne ersichtlichen Grund oder Regelmaß aufflackerten und wieder ausgingen.
Behutsam rückte Tessa ein Stück zur Seite und stützte sich auf einen Ellbogen. Will schlummerte neben ihr, gefangen im reglosen Schlaf völliger Erschöpfung. Allerdings wirkte er ruhig und zufrieden – friedvoller, als Tessa ihn je gesehen hatte. Sein Atem ging gleichmäßig, seine Lider flatterten leicht im Traum.
Tessa war mit dem Kopf auf Wills Arm eingeschlafen und ihr Klockwerk-Engel hatte an seiner linken Schulter gelegen, direkt neben dem Schlüsselbein. Als sie zur Seite gerückt war, hatte sich auch der Anhänger von Wills Schulter gelöst – und Tessa stellte überrascht fest, dass der Engel ein kleines Mal auf Wills Haut hinterlassen hatte, kaum größer als eine Münze, in Gestalt eines blassen weißen Sterns.
20
D IE H ÖLLENGERÄTE
Wie eine Puppe an der Schnur
Schob sich bisweilen durch die Tour
Ein dünn umrissenes Skelett.
Dann fassten sich die Paare schnell
Und tanzten zeremoniell
Ein feierliches Menuett.
O SCAR W ILDE , »D AS H URENHAUS «
»Es ist wunderschön«, stieß Henry atemlos hervor.
Die Schattenjäger des Instituts
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