Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
gewesen – mehr als nur ein Bruder sogar, denn du hast dich freiwillig für ihn entschieden. Wenn er von dir gesprochen hat, dann immer mit großer Liebe und Loyalität und ohne den geringsten Zweifel.«
»Ich habe ihn zur Rede gestellt«, fuhr Will fort, »als ich herausgefunden hatte, dass er mehr Yin Fen einnahm, als er sollte. Ich war so furchtbar wütend und habe ihm vorgeworfen, er würde sein Leben einfach wegwerfen. Daraufhin erwiderte er: ›Es ist meine Entscheidung, für kurze Zeit für sie da zu sein und so hell zu brennen, wie ich es will.‹«
Tessa brachte nur einen erstickten Laut hervor.
»Und es war tatsächlich seine eigene Entscheidung, Tessa – nichts, was du ihm aufgezwungen hättest. Jem ist in seinem ganzen Leben niemals so glücklich gewesen wie mit dir.« Will hatte den Blick abgewandt und starrte ins Feuer. »Ganz gleich, was ich auch vorher zu dir gesagt haben mag – ich bin froh, dass er diese Zeit mit dir hatte. Und das solltest du auch sein.«
»Du klingst aber nicht besonders froh.«
Will hielt den Blick auf die Flammen geheftet. Sein schwarzes Haar, das beim Betreten der Höhle feucht gewesen war, umrahmte nun lockig sein Gesicht. »Ich habe ihn enttäuscht«, sagte er. »Jem hat mich mit dieser einen, dieser einzigen Aufgabe betraut: dich zu finden und sicher nach Hause zu bringen. Und nun scheitere ich an der letzten Hürde.« Endlich drehte er sich zu Tessa, doch seine blauen Augen schienen durch sie hindurchzublicken. »Ich wollte ihn nicht verlassen. Wenn er es gewünscht hätte, wäre ich bis zum letzten Atemzug bei ihm geblieben. Ich hätte meinen Eid nicht gebrochen. Aber er hat mich gebeten, dir nachzureiten …«
»Dann hast du alles getan, was er von dir verlangt hat. Du hast ihn nicht enttäuscht.«
»Aber dich zu finden, war auch mein Herzenswunsch«, wandte Will ein. »Und jetzt kann ich Selbstlosigkeit und Selbstsucht nicht mehr voneinander trennen. Als ich davon geträumt habe, dich zu retten … die Art und Weise, wie du mich ansehen würdest …« Er verstummte abrupt. »Wenigstens werde ich jetzt für diesen Hochmut böse bestraft.«
»Aber ich werde dafür belohnt.« Tessa schob ihre Hand in Wills. Seine Schwielen und Narben drückten rau gegen ihre Handfläche und sie hörte, wie er überrascht nach Luft schnappte. »Denn ich bin nicht länger allein; ich habe dich bei mir. Und wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben. Vielleicht haben wir ja noch immer die Chance, Mortmain zu überwältigen oder uns unbemerkt davonzuschleichen. Wenn es jemanden gibt, der sich einen Weg ausdenken kann, von hier zu entkommen, dann ja wohl du.«
Nun schaute Will sie direkt an. Seine Wimpern überschatteten seine Augen, als er sagte: »Du bist einfach unglaublich, Tessa Gray: Du hast so viel Vertrauen zu mir, obwohl ich nichts dafür getan habe, mir dieses Vertrauen zu verdienen.«
»Nichts getan, um es zu verdienen?«, wiederholte sie ungläubig, mit erhobener Stimme. »Will, du hast mich vor den Dunklen Schwestern bewahrt, du hast mich von dir fortgestoßen, um mich vor deinem ›Fluch‹ zu schützen…du hast mich wieder und wieder gerettet. Du bist ein guter Mensch – einer der besten, die ich je kennengelernt habe.«
Will sah sie so sprachlos an, als hätte Tessa ihm einen Stoß versetzt. Vorsichtig fuhr er sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Ich wünschte, du würdest das nicht sagen«, flüsterte er.
Tessa beugte sich zu ihm. Sein Gesicht war eine Mischung aus Schatten, Kanten und Flächen; sie sehnte sich danach, ihn zu berühren, die Konturen seiner Lippen nachzuzeichnen, den Bogen seiner Wimpern auf seinen Wangen zu streicheln. Der Schein des Feuers spiegelte sich als nadeldünne Lichtpunkte in seinen Augen. »Will«, begann sie leise. »Bei unserer allerersten Begegnung habe ich gedacht, du siehst so aus, wie ich mir die Helden in meinen Lieblingsbüchern immer vorgestellt habe. Du hast gescherzt, du seist Sir Galahad. Weißt du das noch? Und sehr lange Zeit habe ich versucht, dich genau so zu sehen … als wärst du Mr Darcy oder Lancelot oder der arme Sydney Carton. Und das war mein Fehler. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um es endlich zu begreifen, aber jetzt ist mir vollkommen klar: Du bist kein Held aus einem meiner Romane.«
Will stieß ein kurzes, spöttisches Lachen hervor. »Das ist wohl wahr«, bestätigte er. »Ich bin kein Held.«
»Nein«, fuhr Tessa fort, »denn du bist eine Person, genau wie ich.« Will starrte sie
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