Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Sie nicht stören«, sagte sie.
»Du störst nicht, Sophie. Jedenfalls bei nichts Wichtigem.« Charlottes Stimme … Nie zuvor hatte Sophie sie auf diese Weise reden gehört: so matt, so niedergeschlagen.
Sophie stellte den Kohleneimer neben dem Kamin ab und näherte sich ihrer Dienstherrin zögernd. Charlotte hatte die Ellbogen aufgestützt und das Gesicht in den Händen begraben. Ein Brief lag auf dem Schreibtisch, das Siegel der Kongregation war aufgebrochen. Plötzlich beschleunigte sich Sophies Puls: Sie erinnerte sich daran, dass der Konsul sie alle vor der Schlacht unter dem Cadair Idris aus dem Institut verbannt hatte. Aber inzwischen war doch zweifelsfrei nachgewiesen, dass Charlotte recht gehabt hatte, oder? Ihr Sieg über Mortmain musste doch den Erlass des Konsuls aufgehoben haben, oder nicht? Zumal der Konsul inzwischen ebenfalls tot war. »Ist … ist alles in Ordnung, Ma’am?«
Charlotte deutete auf das Schreiben, eine hilflose Geste mit zittriger Hand.
Sophie spürte, wie sich ein eisiges Gefühl in ihrem Magen ausbreitete. Hastig trat sie neben Charlotte und nahm den Brief vom Tisch.
Mrs Branwell,
in Anbetracht des Tons Ihrer Korrespondenz mit meinem verstorbenen Kollegen, Konsul Wayland, dürften Sie über dieses Schreiben vermutlich überrascht sein. Die Kongregation befindet sich jedoch in der unerwarteten Situation, umgehend einen neuen Konsul zu benötigen, und eine Probewahl hat ergeben, dass Sie die meisten Stimmen auf sich vereinigen können.
Ich verstehe durchaus, dass Sie mit der Leitung des Londoner Instituts möglicherweise vollauf zufrieden sind und keine weitere Verantwortung zu übernehmen wünschen, insbesondere in Anbetracht der schweren Verletzungen, die Ihr Gatte während Ihrer tapferen Schlacht gegen den Magister davongetragen hat. Dennoch empfinde ich es als meine Pflicht, Ihnen diese einmalige Chance anzubieten – nicht nur, weil Sie die designierte Wahl der Kongregation sind, sondern auch deshalb, weil ich – nach allem, was ich von Ihnen gesehen habe – der festen Überzeugung bin, dass Sie einen der besten Konsuln abgeben würden, an deren Seite zu dienen ich je die Ehre hatte.
Mit vorzüglichster Hochachtung
Inquisitor Whitelaw
»Konsul!«, keuchte Sophie und der Brief entglitt ihren Fingern und flatterte zu Boden. »Man will Sie zur Konsulin befördern?«
»Allem Anschein nach.« Charlottes Stimme klang noch immer tonlos.
»Ich …« Sophie wusste nicht, was sie sagen sollte. Die Vorstellung eines Londoner Instituts, das nicht von Charlotte geleitet wurde, war einfach schrecklich. Andererseits stellte der Posten des Konsuls eine große Ehre dar, die höchste, die der Rat vergeben konnte; und es war schön, Charlotte auf diese Weise mit einer Auszeichnung bedacht zu sehen, für die sie so teuer hatte bezahlen müssen … »Es gibt niemanden, der diesen Posten mehr verdient als Sie«, sagte Sophie schließlich.
»Ach, Sophie, nein. Ich war diejenige, die den Beschluss gefasst hatte, uns alle zum Cadair Idris zu entsenden. Es ist meine Schuld, dass Henry nie wieder gehen können wird. Das habe ich getan.«
»Er kann Ihnen das nicht zum Vorwurf machen. Ich bin mir sicher, dass er Ihnen nichts vorwirft.«
»Nein, das tut er auch nicht, aber ich mache mir selbst Vorwürfe. Wie soll ich Konsulin sein und Schattenjäger in eine Schlacht schicken? Diese Verantwortung möchte ich nicht tragen müssen.«
Sophie nahm Charlottes Hand und drückte sie aufmunternd. »Charlotte«, sagte sie. »Es geht doch nicht nur darum, Schattenjäger in eine Schlacht zu schicken; manchmal muss es vielmehr jemanden geben, der sie zurückhält. Sie haben ein mitfühlendes Herz und einen scharfen Verstand. Sie haben die Brigade jahrelang gut geführt. Natürlich bricht es Ihnen das Herz, Mr Branwell im Rollstuhl zu sehen, aber der Posten des Konsuls besteht nicht nur darin, Leben zu opfern, sondern auch zu retten. Wenn Sie nicht gewesen wären, wenn es nur nach Konsul Wayland gegangen wäre … wie viele Schattenjäger wären dann von Mortmains Kreaturen getötet worden?«
Charlotte schaute auf Sophies gerötete, von der Arbeit raue Hände. »Sophie«, sagte sie, »seit wann bist du denn so weise?«
Sophie errötete. »Das habe ich von Ihnen gelernt, Ma’am.«
»Nein, warte«, widersprach Charlotte. »Gerade eben hast du mich noch Charlotte genannt. Als zukünftige Schattenjägerin, Sophie, wirst du mich ab sofort duzen. Und wir werden ein anderes Dienstmädchen anstellen, das deine
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