Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
ein Gelöbnis. Das Gelöbnis, einander für immer zu lieben und zu ehren. Ich hatte nicht vor, mein Versprechen an dich zu brechen. Aber ich musste eine Entscheidung treffen: Bruderschaft oder Tod. Ich wollte ja warten, dich heiraten und viele Jahre mit dir glücklich sein, doch das war nicht möglich. Meine Kräfte schwanden zu schnell. Ich hätte mein Leben aufgegeben, hätte alles aufgegeben, nur um einen einzigen Tag mit dir vermählt zu sein. Aber dieser Tag sollte niemals kommen. Dein Anblick ist eine Erinnerung … eine schmerzhafte Erinnerung an all das, was ich verloren habe. An das Leben, das ich nicht führen werde.«
»Dein Leben aufgeben für einen einzigen Tag Ehe – das wäre es nicht wert gewesen«, erwiderte Tessa. Ihr Herz klopfte eine Nachricht, die von Wills Armen um ihren Körper berichtete, von seinen Lippen auf ihren, in dieser dunklen Höhle unter dem Cadair Idris. Sie verdiente Jems sanfte Bekenntnisse, seine Reue und seine Sehnsucht überhaupt nicht. »Jem, ich muss dir etwas sagen.«
Er schaute sie an. Tessa konnte seine dunklen Pupillen sehen, umgeben von schwarzen Punkten in der silberhellen Iris, wunderschön und ungewohnt zugleich.
»Es geht um Will. Um Will und mich«, setzte Tessa an.
»Er liebt dich«, sagte Jem. »Ich weiß, dass er dich liebt. Wir haben darüber gesprochen, bevor er von hier aufbrach.« Obwohl der kühle Ton in seine Stimme zurückgekehrt war, klang er plötzlich fast unnatürlich ruhig.
Tessa war geschockt. »Ich wusste ja gar nicht, dass ihr untereinander darüber gesprochen habt. Will hat nie etwas erwähnt.«
»Genauso wenig hast du mir von seinen Gefühlen erzählt, obwohl du seit Monaten davon wusstest. Wir alle haben unsere Geheimnisse, die wir wahren, um diejenigen nicht zu verletzen, die uns lieben.« Es schien, als würde eine Art Warnung in seiner Stimme mitschwingen. Oder bildete sie sich das nur ein?
»Ich möchte vor dir aber keine Geheimnisse mehr haben«, sagte Tessa. »Ich habe gedacht, du seist tot. Sowohl Will als auch ich … wir haben das beide angenommen. Am Cadair Idris …«
»Hast du mich geliebt?«, unterbrach Jem sie. Die Frage erschien merkwürdig und dennoch stellte er sie ohne Andeutungen oder Feindseligkeit und wartete schweigend auf ihre Antwort.
Sie schaute ihn an und plötzlich hörte sie wieder Woolseys Worte, wie ein geflüstertes Gebet: Die meisten Leute dürfen sich glücklich schätzen, wenn sie in ihrem Leben auch nur einer einzigen großen Liebe begegnen. Und Sie haben gleich zwei gefunden. Für den Moment schob Tessa ihr Geständnis beiseite. »Ja, ich habe dich geliebt. Ich liebe dich noch immer. Und ich liebe auch Will. Ich kann es nicht erklären. Als ich deinen Heiratsantrag angenommen habe, war mir das nicht bewusst. Ich habe dich geliebt, liebe dich noch immer. Und meine Liebe zu ihm hat meine Liebe zu dir nicht ein bisschen geschmälert. Das mag verrückt klingen, aber wenn es irgendjemanden gibt, der es versteht …«
»Ich verstehe es in der Tat«, sagte Jem. »Du brauchst mir nicht mehr über dich und Will zu erzählen. Nichts, was ihr getan haben könntet, kann bewirken, dass ich einen von euch beiden weniger liebe. Will ist ein Teil von mir, ein Teil meiner Seele…und wenn ich nicht länger der Hüter deines Herzens sein kann, gibt es niemand anderen, dem ich diese Ehre lieber anvertrauen würde. Und wenn ich fort bin, musst du Will helfen. Die kommende Zeit wird hart, sehr hart für ihn.«
Tessa musterte Jems Gesicht eindringlich. Das Blut war aus seinen Wangen gewichen; er wirkte blass, aber gefasst, mit einem entschlossenen Zug um die Mundwinkel. Dieser Ausdruck sagte ihr alles, was sie wissen musste: Erzähl mir nicht mehr. Ich will es nicht wissen.
Manche Geheimnisse durfte man nicht wahren, überlegte Tessa, aber andere musste man in seinem Herzen einschließen, damit sie anderen Menschen keinen Schmerz zufügten. Aus diesem Grund hatte sie damals Will auch ihre Liebe nicht gestanden – weder sie noch er hätten irgendetwas an der Situation ändern können.
Tessa schluckte die Worte, die sie eigentlich hatte sagen wollen, hinunter und meinte stattdessen: »Ich weiß nicht, wie ich ohne dich sein soll.«
»Ich stelle mir selbst die gleiche Frage. Ich möchte dich nicht verlassen. Ich kann dich nicht verlassen. Aber wenn ich bleibe, werde ich hier sterben.«
»Nein. Du darfst nicht bleiben. Du darfst auf keinen Fall hierbleiben, Jem. Versprich mir, dass du in die Stadt der Stille
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