Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Tür von Woolsey Scott geöffnet, der einen kanariengelben Morgenrock aus chinesischem Seidenbrokat über Hemd und Hose trug. Vor einem seiner Augen klemmte ein goldenes Monokel, durch das er die beiden nun missbilligend musterte. »Verflixt«, murrte er. »Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich den Lakai öffnen und euch sofort wieder wegschicken lassen. Aber ich dachte, es wäre jemand anderes.«
»Wer denn?«, fragte Tessa interessiert, was nach Wills Dafürhalten eigentlich nichts zur Sache tat. Aber so war Tessa nun einmal: Sie stellte ständig Fragen. Wenn man sie nur ein paar Minuten allein in einem Raum ließ, musste man damit rechnen, dass sie sogar den Möbelstücken und Pflanzen Fragen zu stellen begann.
»Jemand mit Absinth.«
»Wenn du nur genug von dem Zeug schluckst, dauert es nicht lange, bis du davon überzeugt bist, du selbst seist jemand anderes«, bemerkte Will. »Wir sind auf der Suche nach Magnus Bane. Falls er nicht hier ist, genügt ein Wort und wir werden deine kostbare Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.«
Woolsey seufzte, als sei das wirklich sehr viel von ihm verlangt. »Magnus!«, rief er dann nach hinten. »Hier ist jemand für dich … dein blauäugiger Jüngling.«
Im nächsten Moment ertönten Schritte im Flur hinter Woolsey und Magnus erschien in eleganter Abendgarderobe, als wäre er gerade von einem Ball heimgekehrt: schwarzer Frack, darunter ein gestärktes weißes Hemd mit Manschetten. Die seidig schimmernden schwarzen Haare hatte er nach hinten gekämmt. Sein Blick wanderte von Will zu Tessa und wieder zurück. »Und womit habe ich zu so später Stunde diese Ehre verdient?«
»Ein Gefallen«, sagte Will und verbesserte sich selbst, als er sah, wie Magnus’ Augenbrauen in die Höhe gingen: »Eine Bitte.«
Woolsey seufzte erneut und trat beiseite. »Na schön. Kommt in den Salon.«
Da niemand anbot, ihnen Mantel und Hut abzunehmen, ging Tessa ihm hinterher, zog im Salon die Handschuhe aus und stellte sich leicht zitternd ans Kaminfeuer, um sich die Hände zu wärmen. Ihre dichten Haare wellten sich feucht im Nacken und Will musste den Blick abwenden, damit er sich nicht an das Gefühl erinnerte … an das Gefühl, mit den Händen durch diese Locken zu fahren und die Strähnen durch die Finger gleiten zu lassen. Im Institut, wo Jem und die anderen ihn ablenkten, fiel es ihm leichter, sich zu ermahnen, dass er nicht auf diese Art an Tessa denken durfte. Doch hier, wo er den Eindruck hatte, mit ihr an seiner Seite gegen die ganze Welt anzutreten … wo er das Gefühl hatte, dass sie seinetwegen hier war und nicht auf der Suche nach Hilfe für ihren Verlobten – hier war das nahezu unmöglich.
Woolsey ließ sich in einen bunt geblümten Ohrensessel fallen. Er hatte das Monokel vom Auge genommen und wirbelte es an einer langen Goldkette um den Finger. »Ich kann es gar nicht erwarten, endlich zu erfahren, worum es diesmal geht.«
Magnus trat an den Kamin und lehnte sich an das Sims – das Idealbild eines jungen Gentlemans. Der Raum war in einem hellen Blau gehalten und mit Gemälden ausgestattet, die endlose Gebirgszüge, glitzernde blaue Ozeane und Männer und Frauen in antiker Kleidung zeigten. Will glaubte, die Reproduktion eines Porträts von der Hand des Künstlers Lawrence Alma-Tadema zu erkennen – es musste sich um eine Nachbildung handeln, oder nicht?
»Hör auf, die Wände anzustarren, Will«, tadelte Magnus. »Du hast dich seit Monaten nicht hier blicken lassen. Was führt dich ausgerechnet jetzt her?«
»Ich wollte dir nicht zur Last fallen«, murmelte Will. Das entsprach allerdings nur zum Teil der Wahrheit: Nachdem Magnus den Fluch, den Will auf sich ruhen glaubte, als Irrtum enttarnt hatte, war Will ihm aus dem Weg gegangen – nicht weil er wütend auf den Hexenmeister war oder seine Hilfe nun nicht mehr benötigte, sondern einfach deshalb, weil Magnus’ Anblick in ihm schmerzhafte Erinnerungen weckte. Will hatte ihm einen kurzen Brief geschickt, in dem er die darauf folgenden Ereignisse rasch geschildert und ihm mitgeteilt hatte, dass sein Geheimnis nicht länger geheim war. Außerdem hatte er Magnus von Jems Verlobung mit Tessa berichtet und ihn gebeten, auf seinen Brief nicht zu antworten. Jetzt holte Will tief Luft und meinte: »Aber das hier … das ist eine Krisensituation.«
Magnus schaute ihn aus großen Katzenaugen an. »Welche Art von Krisensituation?«
»Es geht um Yin Fen«, sagte Will.
»Gütiger Himmel«, warf Woolsey ein,
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