Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Menschen sind. Weil Charlotte Branwell mir immer nur Freundlichkeit entgegengebracht hat. Und weil Sophie sie liebt.«
»Und du liebst Sophie.«
Gideon presste die Lippen aufeinander.
»Sie ist eine Irdische und ein Dienstmädchen«, sagte Gabriel. »Ich weiß wirklich nicht, was du dir davon versprichst.«
»Nichts«, entgegnete Gideon heiser. »Ich verspreche mir gar nichts. Aber die Tatsache, dass du felsenfest davon überzeugt bist, zeigt, dass unser Vater uns in dem Glauben erzogen hat, wir sollten nur dann rechtschaffen handeln, wenn wir mit einer Belohnung rechnen dürfen. Ich habe Charlotte mein Wort gegeben, und das werde ich nicht brechen. So sieht die Situation nun mal aus, Gabriel. Wenn dir das nicht gefällt, werde ich dich zu Tatiana und den Blackthorns schicken. Ich bin mir sicher, sie werden dich bei sich aufnehmen. Aber ich werde Charlotte nicht belügen.«
»Doch, das wirst du«, widersprach Gabriel. »Wir beide werden gegenüber Charlotte lügen. Aber wir werden auch gegenüber dem Konsul lügen.«
Gideon kniff die Augen zu Schlitzen. Regen tropfte von seinen Wimpern. »Was meinst du damit?«
»Wir werden Waylands Wunsch befolgen und Charlottes Korrespondenz lesen. Und dann werden wir ihm Bericht erstatten, allerdings wird unser Bericht nicht der Wahrheit entsprechen.«
»Wenn wir ihm ohnehin irreführende Informationen liefern wollen, wozu müssen wir Charlottes Korrespondenz dann lesen?«
»Damit wir wissen, was wir ihm nicht schreiben dürfen«, erläuterte Gabriel und spürte einen seltsamen Geschmack im Mund – bitter und schmutzig, als wäre ihm Regenwasser vom Institutsdach auf die Lippen getropft. »Damit wir ihm nicht versehentlich doch die Wahrheit sagen.«
»Wenn wir entdeckt werden, könnte das für uns schwerwiegende Konsequenzen haben.«
Gabriel spuckte etwas Regenwasser auf den Boden. »Dann sag du mir, was wir tun sollen. Bist du bereit, für die Bewohner des Instituts schwerwiegende Konsequenzen zu riskieren oder nicht? Denn ich … ich tue das in erster Linie für dich und weil …«
»Weil?«
»Weil ich einen Fehler begangen habe: Ich habe mich in unserem Vater geirrt. Ich habe ihm geglaubt, und das hätte ich nicht tun sollen.« Gabriel holte tief Luft. »Ich hatte unrecht und möchte das wiedergutmachen. Und wenn ich dafür bezahlen muss, bin ich bereit, den Preis zu zahlen.«
Gideon musterte ihn lange und eindringlich. »War das schon die ganze Zeit dein Plan? Als du Waylands Forderungen zugestimmt hast, vorhin in den Argent Rooms, hattest du das in dem Moment beabsichtigt?«
Langsam wandte Gabriel den Blick ab und schaute in Richtung des regennassen Innenhofs. Vor seinem inneren Auge sah er Gideon und sich selbst, als sie noch sehr viel jünger waren. Sie standen an der Themse, die an das Anwesen ihres Elternhauses angrenzte, und Gideon zeigte ihm, wie man den sumpfigen Uferbereich am sichersten überquerte. Sein Bruder hatte ihm immer die sicheren Pfade gezeigt. Und es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der sie einander blind vertraut hatten – eine Zeit, die inzwischen lange zurücklag. Aber er sehnte sich von ganzem Herzen danach zurück, viel stärker als nach dem verlorenen Vater. »Würdest du mir denn glauben, wenn ich dir sage, dass es so ist?«, erwiderte er bitter. »Denn es ist die Wahrheit.«
Gideon schwieg einen Moment. Und dann spürte Gabriel, wie er nach vorn gezogen und sein Gesicht in die feuchte Wolle von Gideons Mantel gedrückt wurde, während sein Bruder ihn fest im Arm hielt, ihn beruhigend hin und her schaukelte und murmelte: »Alles wird gut, kleiner Bruder. Es wird alles gut.«
Adressat: Die Kongregation
Absender: Konsul Josiah Wayland
Also gut, meine Herren. In diesem Fall bitte ich lediglich um etwas Geduld und keine überhasteten Entscheidungen. Wenn Sie Beweise wünschen, werde ich Beweise liefern.
Ich werde mich in dieser Angelegenheit bald wieder melden.
Im Namen des Erzengels und zur Wahrung seiner Größe
Konsul Josiah Wayland
7
G EWAGTE W ÜNSCHE
Böte man mir das letzte Jahr ein weiteres Mal an
Und die Wahl zwischen Gut und Böse stünde offen,
Nähme ich dann die Freuden mit dem Kummer an
Oder wagte ich zu wünschen, wir hätten uns nie getroffen?
A UGUSTA L ADY G REGORY , »B ÖTE MAN MIR DAS LETZTE J AHR EIN WEITERES M AL AN «
Adressat: Konsul Wayland
Absender: Gabriel und Gideon Lightwood
Verehrter Konsul,
wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet, dass Sie uns mit der Aufgabe betraut haben, Mrs
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