Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
Trainingsspiegel blickte ihr Spiegelbild sie an: Gabriel war einen guten Kopf größer als Cecily, sodass sie ihn über ihrer Schulter mühelos mustern konnte. Er besaß ein eigenwilliges, kantiges Gesicht, attraktiv aus manchen Blickwinkeln und ungemein faszinierend aus anderen. Eine kleine weiße Narbe leuchtete an seinem Kinn, als hätte ihn dort eine scharfe Klinge gestreift. »Möchten Sie, dass ich Ihnen zeige, wie man diesen Zweihänder richtig hält?«, fragte er.
»Wenn es unbedingt sein muss.«
Statt einer Antwort griff Gabriel um Cecily herum und korrigierte ihre Hand auf dem Knauf. »Man sollte sein Schwert nie mit der Spitze nach unten halten«, erklärte er. »Besser mit der Spitze nach vorn. Auf diese Weise wird sich der Gegner bei einem Angriff selbst auf der Klinge aufspießen.«
Cecily passte ihren Griff entsprechend an, während sich ihre Gedanken förmlich überschlugen: Sie hatte die Schattenjäger so lange Zeit für Monster gehalten. Monster, die ihren Bruder entführt hatten… Und sie selbst war die Heldin gewesen, die zu seiner Rettung herangestürmt kam, auch wenn Will wahrscheinlich gar nicht wusste, dass er gerettet werden musste. Die Erkenntnis, wie menschlich die Nephilim tatsächlich waren, hatte bei ihr erst allmählich eingesetzt und nun konnte Cecily die Wärme spüren, die von Gabriels Brustkorb aufstieg, seinen warmen Atem in ihrem Nacken … Ach, es war wirklich eigenartig, so viele Dinge an einem anderen Menschen wahrzunehmen: das Gefühl seines Körpers, die Wärme seiner Haut und dann erst sein Geruch …
»Ich habe gesehen, wie Sie im Garten meines Elternhauses gekämpft haben«, murmelte Gabriel Lightwood. Seine schwielige Hand streifte über einen ihrer Finger und Cecily musste einen leisen, prickelnden Schauer unterdrücken.
»So schlecht?«, fragte sie und versuchte dabei, einen neckischen Ton anzuschlagen.
»Mit Leidenschaft. Manche kämpfen, weil es ihre Pflicht ist, aber andere kämpfen, weil sie es lieben. Und Sie lieben den Kampf.«
»Ich weiß nicht …«, setzte Cecily an, wurde aber unterbrochen, als die Tür des Fechtsaals mit einem lauten Knall aufflog.
Will stand im Türrahmen und füllte ihn mit seiner hochgewachsenen, breitschultrigen Gestalt vollständig aus. Seine blauen Augen blitzten stürmisch. »Was machst du hier?«, fragte er fordernd.
Das bedeutete wohl das Ende ihres kurzen Waffenstillstands, den sie in der Nacht zuvor erreicht hatten, überlegte Cecily. »Ich trainiere«, entgegnete sie ihrem Bruder. »Du hast selbst gesagt, dass ich ohne Training nicht besser werden würde.«
»Nicht du. Ich meine Gabriel Lightworm da drüben.« Will deutete mit dem Kinn auf den anderen Nephilim. »Oh, Entschuldigung. Light wood.«
Langsam löste Gabriel seine Arme von Cecily und richtete sich auf. »Wer auch immer deine Schwester bisher im Schwertkampf unterrichtet hat, hat ihr eine Menge schlechter Angewohnheiten beigebracht. Ich hatte lediglich angeboten, ihr zu helfen.«
»Und ich habe mich damit einverstanden erklärt«, fügte Cecily hinzu. Sie hatte keine Ahnung, warum sie Gabriel verteidigte – abgesehen von der vagen Hoffnung, Will damit verärgern zu können.
Und ihre Worte erreichten tatsächlich den gewünschten Effekt: Will kniff wütend die Augen zu Schlitzen. »Und hat er dir auch gesagt, dass er schon seit Jahren nach einem Weg sucht, mir die angebliche Beleidigung seiner Schwester heimzuzahlen? Und welcher Weg wäre da geeigneter als über dich?«
Ruckartig drehte Cecily den Kopf zu Gabriel, auf dessen Miene sich eine Mischung aus Kummer und Trotz spiegelte. »Ist das wahr?«
Doch Gabriel wandte sich nicht an sie, sondern an Will: »Wenn wir zukünftig alle unter einem Dach leben, Herondale, dann werden wir lernen müssen, einander höflicher zu behandeln. Meinst du nicht?«
»Solange ich dir weiterhin mit derselben Leichtigkeit den Arm brechen kann, wie dir ins Gesicht zu sehen, werde ich dem ganz gewiss nicht zustimmen.« Will drehte sich zur Wand und nahm ein Rapier aus der Halterung. »Und jetzt verschwinde von hier, Gabriel. Und lass meine Schwester in Ruhe.«
Mit einem einzigen verächtlichen Blick schob Gabriel sich an Will vorbei und verließ den Fechtsaal.
»War das wirklich nötig, Will?«, fragte Cecily aufgebracht, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.
»Ich kenne Gabriel Lightwood – im Gegensatz zu dir. Daher schlage ich vor, du überlässt es mir, seinen Charakter zu beurteilen. Er will dich nur benutzen, um
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