Clockwork Princess: Chroniken der Schattenjäger (3) (German Edition)
hatte sich furchtbar klein und wertlos gefühlt. Natürlich hatte es sich dabei um eine Lüge gehandelt, doch die Erinnerung daran schmerzte noch immer.
»Nein«, sagte Sophie und schaute auf ihre rauen, geröteten Hände. »Es ist besser, wenn ich diese Möglichkeit erst gar nicht in Betracht ziehe. So werde ich auch nicht enttäuscht.«
»Ich denke, die Lightwoods sind ehrliche und anständige Männer«, wandte Tessa ein.
Sophie strich sich die Haare aus dem Gesicht und berührte leicht die Narbe, die ihre Wange teilte. »Manchmal denke ich, es gibt überhaupt keine ehrlichen und anständigen Männer.«
Während die Kutsche durch die Straßen des West End in Richtung Institut ratterte, blieben Gideon und Gabriel stumm. Inzwischen goss es in Strömen und der Regen prasselte so laut auf das Kutschdach, dass man ohnehin keinen Ton verstanden hätte, überlegte Gabriel.
Gideon betrachtete angelegentlich seine Schuhe und schaute auch nicht auf, als das Institut im Dunst aufragte und sie durch das Tor fuhren.
Bei der Eingangstreppe angekommen, beugte der Konsul sich vor, griff über Gabriel hinweg und öffnete den Kutschschlag, damit sie aussteigen konnten. »Ich vertraue euch beiden«, sagte er. »Und nun seht zu, dass auch Charlotte euch vertraut. Aber erzählt keiner Menschenseele von unserem Gespräch. Was diesen Nachmittag anbelangt, so habt ihr ihn bei den Stillen Brüdern verbracht.«
Wortlos kletterte Gideon aus der Kutsche, dicht gefolgt von Gabriel. Dann machte der Landauer kehrt und fuhr davon, zurück in den grauen Londoner Nachmittag. Schwarz-gelbe Wolken verdunkelten den Himmel, aus dem bleischwere Tropfen zu fallen schienen; die Nebelschwaden waren so dicht, dass Gabriel kaum das Eisentor erkennen konnte, dass sich hinter der Kutsche des Konsuls schloss. Und die Hände, die in diesem Moment aus dem Nebel hervorschossen und ihn am Kragen fassten, sah er auch nicht. Sein Bruder hatte ihn gepackt und zog ihn einige Meter um das Institut herum. Gabriel wäre fast gestürzt, als Gideon ihn gegen die Steine des alten Kirchengebäudes drückte. Sie befanden sich in der Nähe der Stallungen, im Sichtschutz einer der Pfeilermauern, waren dem Regen allerdings weiterhin ausgeliefert.
Kalte Tropfen liefen Gabriel über den Kopf, den Hals hinunter und schließlich in den Kragen hinein. »Gideon …«, protestierte er, während seine Füße auf den rutschigen Steinplatten Halt suchten.
»Sei still.« Gideon musterte ihn aus großen Augen, die im dämmrigen Licht fast grau wirkten und nur noch eine Spur Grün aufwiesen.
»Du hast recht.« Gabriel senkte seine Stimme. »Wir sollten uns genau absprechen. Wenn uns irgendjemand fragt, was wir heute Nachmittag getan haben, müssen unsere Antworten hundertprozentig übereinstimmen, denn sonst klingt unsere Geschichte unglaubwürdig …«
»Ich hab gesagt, du sollst still sein .« Gideon stieß seinen Bruder so fest mit den Schultern gegen die Mauer, dass Gabriel schmerzerfüllt aufkeuchte. »Wir werden Charlotte von unserem Gespräch mit dem Konsul nichts erzählen. Aber wir werden sie auch nicht bespitzeln . Gabriel, du bist mein Bruder und ich liebe dich. Ich würde alles tun, um dich zu beschützen. Aber ich werde nicht zulassen, dass wir beide unsere Seelen verkaufen.«
Gabriel musterte seinen Bruder. Regen lief von Gideons nassen Haaren und tropfte auf den Kragen seines Mantels. »Wenn wir uns weigern, könnten wir auf der Straße enden.«
»Ich werde Charlotte nicht belügen«, erwiderte Gideon.
»Gideon …«
»Hast du den Ausdruck auf Waylands Gesicht gesehen?«, unterbrach Gideon seinen Bruder. »Als wir zugestimmt haben, für ihn zu spionieren und damit das Haus, in dem man uns so großzügig beherbergt, zu hintergehen. Der Konsul war nicht im Geringsten überrascht. Er hat keinen Moment an unserer Einwilligung gezweifelt. Denn von den Lightwoods erwartet er nichts anderes als Betrug und Verrat. Das ist unser Geburtsrecht.« Gideon verstärkte seinen Griff um die Arme seines Bruders. »Das Leben dreht sich um mehr als nur ums nackte Überleben«, stieß er hervor. »Wir haben unsere Ehre, wir sind Nephilim. Wenn Wayland uns auch das nimmt, haben wir wirklich nichts mehr.«
»Wieso?«, hakte Gabriel nach. »Wieso bist du dir so sicher, dass Charlotte auf der richtigen Seite kämpft?«
»Weil unser Vater das nie getan hat«, erklärte Gideon. »Weil ich Charlotte kenne. Weil ich seit Monaten inmitten dieser Leute lebe und weil ich weiß, dass sie gute
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