Clovis Dardentor
prächtige Portal der Eulalienkirche weit offen. Im Innern betete eine gläubige Gemeinde. Der Gottesdienst nahte sich dem Ende und der der frommen Versammlung zugewendete Priester erhob grade die Arme, um jener den Segen zu ertheilen.
Doch welch’ ein Lärm, welche Aufregung der Versammlung, welche Schreckensrufe, als die Galera plötzlich schaukelnd und hüpfend über die Steinplatten des Ganges im Mittelschiffe hereinpolterte. Doch welch’ wunderbarer Effect auch, als das Gespann endlich vor den Stufen des Altarplatzes im letzten Augenblicke Halt machte.
»
Et spiritu sancto
! erklang es vom Munde des Geistlichen.
– Amen
!« antwortete eine helltönende Stimme.
Es war die des Perpignanesers, der eben einen gewiß verdienten Segen empfangen hatte.
Nach dieser unerwarteten Lösung des Knotens wird es niemand verwundern, daß die Leute dieses tiefreligiösen Landes dabei an ein Wunder glaubten, und es wäre gar nichts Erstaunliches, wenn man zukünftig in der Kirche der heiligen Eulalia an jedem 28. April das Fest der »Santa Galera de Salud« feierte.
Eine Stunde später hatten Marcel Lornans und Jean Taconnat ihren Clovis Dardentor neben einer Fonda der Calle de Miramar wieder entdeckt, wo der außerordentliche Mann sich von seiner Aufregung und Anstrengung erholte. Von Aufregung darf man übrigens kaum sprechen, wenn es sich um einen solch’ stahlharten Charakter handelt.
»Herr Dardentor! rief Jean Taconnat.
– Ah, meine jungen Freunde, antwortete der Held des Tages, das war eine Fahrt, die mich bald ein bischen durchgerüttelt hätte.
– Sie sind ohne Schaden davongekommen? fragte Marcel Lornans.
– Ja… vollständig, ich glaube sogar, daß ich mich niemals wohler befunden habe!… Auf Ihre Gesundheit, meine Herren!«
Die beiden jungen Leute mußten ein paar Gläser des vortrefflichen Benisalemweines leeren, dessen Ruf weit über die Balearen hinausreicht.
Als Jean Taconnat seinen Vetter dann einmal bei Seite nehmen konnte, raunte er ihm zu:
»Eine verfehlte Gelegenheit!
– Doch nein, Jean!
– Doch ja, Marcel, denn selbst angenommen, ich hätte Herrn Dardentor durch das Aufhalten der Galera gerettet, so wirst Du doch, da ich ihn nicht dem Wasser, nicht den Flammen entrissen und auch aus keinem Kampfe herausgehauen habe, mir nicht wollen glauben machen, daß…
– Ein hübsches Thema, vor einem Civilgerichtshof zu verfechten!« begnügte sich Marcel Lornans zu antworten.
Um acht Uhr abends waren alle, die den »Argeles« verlassen hatten, wieder an Bord zurück.
Keiner hatte sich diesmal verspätet, weder die Herren Désirandelle Vater und Sohn, noch Herr Eustache Oriental.
Ob der Astronom seine Zeit wohl damit verbracht hatte, die Sonne über dem Horizonte der Balearen zu beobachten? Niemand hätte das sagen können. Jedenfalls brachte er aber mehrere Packete mit solchen Eßwaaren mit, die diesen Inseln eigenthümlich sind, z. B. »Encimados«, eine Art Kuchen aus Blätterteig, der statt mit Butter, mit Fett gebacken wird, doch deshalb nicht weniger schmackhaft ist, und auch ein halbes Dutzend »Lippfische«, denen die Fischer vom Cap Formentor mit Vorliebe nachstellen und die der Koch des Dampfers für ihn besonders sorgsam zubereiten mußte.
Der Vorsitzende der Astronomischen Gesellschaft von Montélimar war offenbar mehr mit dem Munde als mit den Augen thätig… mindestens seit seiner Abfahrt von Frankreich.
Gegen achteinhalb Uhr wurden die Haltetaue losgeworfen und der »Argeles« verließ den Hafen von Palma, ohne daß der Kapitän Bugarach seinen Passagieren gestattet hatte, sich den ganzen Abend in der majorcanischen Hauptstadt aufzuhalten. Deshalb war es Clovis Dardentor nicht vergönnt, die Stimmen der hiesigen »Serenos« und ihre Abendgesänge zu vernehmen, so wenig wie die Refrains der »Habaneras« und der nationalen »Jotas«, die mit den melodiösen Tönen von Guitarren begleitet werden und von denen die Patios (Höfe) der balearischen Häuser bis zum frühen Morgen widerklingen.
Achtes Capitel.
Worin die Familie Désirandelle mit der Familie Elissane in Berührung kommt.
»Heute warten wir mit dem Essen bis acht Uhr, sagte Frau Elissane; Herr und Frau Désirandelle mit ihrem Sohne und wahrscheinlich jener Herr Dardentor, das macht vier Gedecke.
– Ganz recht, Madame, antwortete das Zimmermädchen.
– Unsre Freunde werden sehr der Erholung bedürfen, Manuela, und ich fürchte, die arme Frau Désirandelle wird von der anstrengenden Ueberfahrt arg zu leiden
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