Clovis Dardentor
Gewohnheiten, wie Hartnäckigkeit und Zähigkeit verräth. Frau Elissane hatte ihr Hauswesen nach wohlüberlegten Vorschriften organisiert und nirgends nutzlose Ausgaben gestattet. Sie machte noch Ersparnisse, die sie sicher und fruchttragend anzulegen verstand. Handelte es sich jedoch um ihre Tochter, der ihre ganze Liebe gewidmet war, so sah sie das Geld nicht so genau an. Ihre Wünsche galten nur dem Glück dieses einzigen Kindes, und sie bezweifelte gar nicht, daß dessen Glück durch die geplante Verbindung mit der Familie Désirandelle ausreichend gesichert sein werde.
Die zwölftausend Francs Rente, die Agathokles dereinst besitzen würde, und dazu das Vermögen, das Louise von ihrer Mutter zu erhoffen hatte, das ergab ja eine metallische Unterlage, die gewiß viele Leute für solid genug hielten, um eine sorgenlose Zukunft darauf zu begründen.
Louise selbst konnte sich des Agathokles kaum noch erinnern. Ihre Mutter hatte sie aber in dem Gedanken erzogen, daß sie eines Tags Frau Désirandelle
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. werden würde; das erschien dem jungen Mädchen auch ganz natürlich, vorausgesetzt, daß der ihr bestimmte Freier ihr auch gefiele, und warum sollte er nicht alle Eigenschaften haben, um zu gefallen?
Nachdem Frau Elissane ihre letzten Befehle ertheilt hatte, begab sie sich in den Salon, wo ihre Tochter ebenfalls erschien.
Oran. – Der Hafen.
»Dein Dessert ist fertig, mein Kind? fragte sie.
– Ja, liebe Mutter.
– Es ist unangenehm, daß der Dampfer erst so spät, fast mit anbrechender Nacht ankommt!… Doch um sechs Uhr mußt Du mit der Toilette fertig sein, Louise; zieh’ das kleincarrierte Kleid an, wir gehen dann nach dem Hafen hinunter, wo der »Agathokles« vielleicht schon als in Sicht gemeldet ist.«
Frau Elissane, die den Namen verwechselte, betonte hier das e der Endsilbe, die doch in jenem Namen fast tonlos ist.
»Du meinst wohl den »Argeles«, antwortete Louise lachend. Und dann heißt mein Zukünftiger auch nicht Agathokles, sondern Agáthokles.
– Schon gut, erwiderte Frau Elissane, Argeles oder Agathokles, das hat ja nicht viel zu bedeuten! Du kannst Dich aber darauf verlassen, daß er keinen Fehler begehen wird, wenn er den Namen Louise ausspricht.
– Bist Du dessen so sicher? versetzte das junge Mädchen neckisch. Der Herr Agathokles kennt mich ja kaum und ich gestehe, daß ich ihn auch nicht genauer kenne.
– O, wir werden Euch schon Zeit geben, vor einer Entscheidung wieder nähere Bekanntschaft zu machen.
– Das ist wohl nicht mehr als billig!
– Uebrigens bin ich überzeugt, daß Du ihm gefallen wirst, mein Kind, und ihm muß doch erst recht daranliegen, daß er Dir zu gefallen sacht. Frau Désirandelle ist ja seines Lobes voll! Dann vereinbaren wir den Ehecontract….
– Und das Ergebniß der Aufstellung, Mutter…
– Wird natürlich zu Deinen Gunsten sein… Vergessen wir indeß nicht, daß ihr Freund, Herr Clovis Dardentor, die Désirandelle’s begleitet… Du weißt doch, jener reiche Perpignaneser, auf den sie so stolz sind und der – ihrem Reden nach – der beste Mensch von der Welt sein soll. Da Herr und Frau Désirandelle nicht an Seefahrten gewöhnt sind, hat er sie nach Oran herüberlootsen wollen. Das ist ja recht hübsch von dem Manne, und wir werden ihn freundlichst empfangen, Louise…
– Ganz nach Verdienst, und selbst wenn’s ihm einfiele, um meine Hand anzuhalten… doch nein, ich vergesse, daß ich Frau Agathokles werden soll und sein werde – Agathokles… ein hübscher Name, wenn auch von etwas gar zu altgriechischem Anklang.
– Sei doch einmal ernsthaft, Louise!«
Das junge Mädchen war auch ernsthaft, trotz ihres lustigen und bestechenden Naturells. Sie war das aber nicht, weil es die Eigenschaft jeder gewöhnlichen Romanheldin ist, sondern infolge ihrer Jugend, ihrer freimüthigen Natur, die sich in den lebhaften, beweglichen Zügen, in den »sammtnen« glänzenden Augen mit dunkler Pupille in azurblauer Iris, in dem reichen, dunkelblonden Haare und in ihrer graziösen Haltung aussprach.
Diese flüchtigen Pinselstriche genügen zu dem Bilde Louise Elissane’s, und der Leser erkennt wohl Schon daraus, daß sie sich nicht wenig von dem Tropfe unterschied, den man ihr mit den andern Frachtstücken des »Argeles« von Cette her zusendete.
Als die Stunde gekommen war und die Herrin des Hauses einen letzten Blick in die Zimmer der Familie Désirandelle geworfen hatte, rief Frau Elissane ihre Tochter und beide gingen nach dem
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