Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
gehabt haben. Sieh’ zu, daß ihr Zimmer vollständig in Ordnung ist, denn vielleicht zieht sie es vor, sich gleich nach der Ankunft niederzulegen.
    – Natürlich, Madame, wird alles besorgt.
    – Wo ist meine Tochter?
    – In der Speisekammer, Madame, wo sie den Nachtisch zurecht macht.«
    Manuela, die von Anfang an in Stellung bei Frau Elissane gewesen war, gehörte zu den Spanierinnen, aus denen man das Dienstpersonal der orancsischen Familien meist zu wählen pflegt.
    Frau Elissane bewohnte ein hübsches Haus in der Alten Schloßstraße, wo sich die Gebäude einen halb spanischen, halb maurischen Charakter bewahrt haben. Ein kleiner Garten enthielt zwei Blumenkörbe mit Volubilis und zeigte jetzt, zu Anfang der warmen Jahreszeit, noch saftgrüne Rasenflächen neben einigen Bäumen, darunter mehrere Exemplare von »Bella ombra« – ein Name von guter Vorbedeutung – von dem die Promenade de l’Etang sehr schöne Exemplare besitzt.
    Das aus Erdgeschoß und einem Stockwerk bestehende Gebäude bot genug Raum, um der Familie Désirandelle bequeme Unterkunft zu gewähren. In Oran sollte es dieser also weder an Zimmern noch an zarter Rücksichtnahme fehlen.
    Die Hauptstadt der Provinz hat sich schon zu einer recht hübschen Stadt entwickelt. Sie liegt sehr schön zwischen den Abhängen einer Thalsenkung, deren Grund das schnelle Wasser des Oued-Rehhi durchströmt, welchen die Fahrstraße des Boulevard Oudinot theilweise überdeckt. Durch die Festungswerke des neuen Schlosses getheilt, macht Oran, wie alle diese Städte, auf der einen Seite einen alterthümlichen, auf der andern einen modernen Eindruck. Der alte Theil, die spanische Stadthälfte, hat mit ihrer Kasbah, ihren vielstöckigen Häusern und dem im Osten derselben gelegenen Hafen auch noch die alten Stadtmauern bewahrt. Die neue, noch weiter östlich gebaute Hälfte mit ihren jüdischen und maurischen Gebäuden, wird vom Schlosse an bis zum Fort Saint-André von einer mit Zinnen bekrönten Mauer vertheidigt.
    Dieser Theil, der Gouharan der Araber, den Mauren aus Andalusien im zehnten Jahrhundert erbauten, wird von einem hohen Berge beherrscht, dessen steiler Abhang das Fort la Moune trägt. Fünfmal so groß, wie zur Zeit ihrer Gründung, nimmt diese Hälfte jetzt zweiundsiebzig Hektar ein, und mehrere bis außerhalb ihrer Mauer reichende Straßen ziehen sich gegen zwei Kilometer lang bis zum Meere hin. Bei Fortsetzung seines Weges jenseit der Mauern der Forts, würde der Tourist dann nach den neuesten Anbauten, nach den Vorstädten Gambetta und Noiseux-Eckmühl gelangen.
    Man wird schwerlich eine algerische Stadt finden können, die eine interessantere Mischung von Volkstypen aufwiese. Unter ihren siebenundvierzigtausend Einwohnern begegnet man nur siebzehntausend Franzosen neben achtzehntausend Fremden. vorzüglich Spaniern und Italienern, Engländern und Anglo-Maltesern. Füge man hierzu gegen viertausend Araber, die im Süden der Stadt, im Vororte Djalis, der auch das Negerdorf genannt wird, zusammen wohnen und woher man die Straßenfeger und Lastträger des Hafens nimmt; theile man diese Mischung von Rassen in siebenundzwanzigtausend Anhänger der katholischen Religion, siebenzehntausend Adepten des israelitischen und etwa tausend Gläubige des muselmanischen Bekenntnisses, so hat man von diesem Gesichtspunkte aus ein ziemlich getreues Bild von der hybridischen Bevölkerung der oranischen Hauptstadt.
    Das war die Stadt, wohin sich Herr Elissane einst zurückzog, nachdem er in Perpignan ein Handelsgeschäft fünfzehn Jahre lang und mit solchem Erfolge betrieben hatte, daß er sich zuletzt einer Rente von zwölftausend Francs erfreute, die sich unter der haushälterischen Verwaltung seiner Wittwe auch nicht vermindert hatte.
    Die jetzt vierundvierzigjährige Frau Elissane war gewiß nie so hübsch, so graziös und anziehend wie ihre Tochter gewesen. Als eine Frau, die stets wußte, was sie wollte und ihre Worte wie früher ihren Zucker abwog, zeigte sie jenen wohlbekannten Typus des weiblichen Rechnungsführers, »bezifferte« sie sozusagen ihre Gefühle und befleißigte sich einer doppelten Buchführung bezüglich der ganzen Lebenshaltung mit der Vorsorge, daß ihr Contocorrent immer mit einem Plus auf der Creditseite abschloß. Man kennt ja diese Erscheinungen mit scharfgeschnittnen Gesichtszügen, vortretenden Stirnhöckern, durchdringendem Blicke und ernstem Munde – mit alledem, was bei dem sogenanntenschwachen Geschlecht ebenso bestimmt bewahrte

Weitere Kostenlose Bücher