Clovis Dardentor
Seite nimmst.
– Zugestanden, Marcel… lachend, wenn es mir gelingt, Herrn Dardentor aus einer der vom Civilgesetzbuch vorgesehenen Gefahren zu retten… lachend. wenn sich die Gelegenheit dazu nicht böte… lachend, wenn ich Erfolg habe lachend wenn mir’s mißglückt, lachend, immer und überall!
– So lass’ ich mir’s gefallen, dann bist Du wieder der Alte. Was nun unsern Dienstantritt betrifft…
– O, damit hat es keine solche Eile, Marcel, und bevor ich nach dem Bureau des Unterintendanten gehe, beanspruche ich eine Gnadenfrist…
– Für wie lange?
– Für wenigstens vierzehn Tage. Was zum Kuckuck, wenn man sich für’s ganze Leben eintragen läßt, kann man sich doch erst vierzehn Tage schöner Freiheit zusprechen…
– Meinetwegen, vierzehn Tage, Jean, und wenn Du bis dahin keinen Vater in der Person des Herrn Dardentor beschafft hast…
– Ich oder Du, Marcel…
– Oder ich… mag sein… dann setzen wir die Soldatenmütze auf.
– Einverstanden, Marcel!
– Bist dahin bleibst Du aber lustig, Jean?
– Lustig, wie der ausgelassenste Buchfink!«
Neuntes Capitel.
Worin die vierzehntägige Frist für Marcel Lornans wie für Jean Taconnat erfolglos verstreicht.
Ein Haushahn kann beim ersten Morgengrauen nicht fideler sein als Jean Taconnat, als er aus seinem Bette sprang und Marcel Lornans mit seinem Trällern weckte. Vierzehn Tage… er hatte ja vierzehn Tage vor sich, um jenen braven Mann und doppelten Millionär zu ihrem Adoptivvater umzuwandeln.
Uebrigens war es gewiß, daß Clovis Dardentor Oran nicht verlassen würde, ehe nicht die Vermählung Agathokles Désirandelle’s und Louise Elissane’s gefeiert war. Er mußte dem Sohne seiner alten Freunde doch als Trauzeuge dienen. Vier bis fünf Wochen mochten aber wenigstens hingehen, bevor es zu dieser Hochzeitsfeier kam… wenn es überhaupt dazu kam. Würde sie aber wirklich stattfinden?…
Diese »Wenn« und »Aber« hüpften im Gehirn Marcel Lornans’ hin und her. Es schien ihm ganz undenkbar, daß jener Bursche der Gatte dieses reizenden jungen Mädchens werden sollte, denn so wenig er sie auf dem Verdeck des »Argeles« auch gesehen hatte, hätte er es doch als eine Pflichtvergessenheit empfunden, sie nicht zu verehren und zu bewundern. Daß Herr und Frau Désirandelle in ihrem Agathokles einen für Louise ganz passenden Ehegemahl erblickten, war ja am Ende erklärlich.
Von jeher sind Eltern bezüglich ihrer Kinder ja stets mit ziemlich starker Blindheit geschlagen. Es war aber ganz ausgeschlossen, daß der Perpignaneser sich nicht früher oder später von der völligen Bedeutungslosigkeit des Agathokles Rechenschaft geben und nicht erkennen sollte, daß zwei so verschiedne Wesen nicht für einander geschaffen seien.
Um halb neun Uhr früh trafen sich Herr Dardentor und die Pariser im Speisesaale des Hôtels beim ersten Frühstück.
Clovis Dardentor war in rosigster Laune. Er hatte gestern Abend gut gegessen und die Nacht über gut geschlafen. Wer aber mit einem vortrefflichen Magen, einem ausgezeichneten Schlaf und einem guten Gewissen dem nächsten Tage nicht freudig entgegensehen kann, der wird das niemals können.
»Meine jungen Freunde, begann Herr Dardentor, während er sein Weißbrödchen in eine Tasse ausgezeichneter Chocolade tauchte, wir haben uns seit gestern Abend nicht gesehen, und diese Zeit der Trennung ist mir recht lang vorgekommen.
– Sie sind uns aber im Traum erschienen, Herr Dardentor, antwortete Jean Taconnat, mit einem Strahlenscheine um den Kopf…
– Als Heiliger, nicht wahr?
– Nun, so wie ein Schutzpatron der Ostpyrenäen!
– Ah, Herr Jean, Sie haben also die alte Fröhlichkeit wieder geangelt?
– Geangelt… wie Sie sagen, bestätigte Marcel Lornans, er ist nur der Gefahr ausgesetzt, sie sich wieder entwischen zu lassen.
– Ei, weshalb denn?
– Weil wir uns doch wieder trennen müssen, Herr Dardentor, und Sie nach der einen, wir nach der andern Seite gehen müssen.
– Wie?… Uns trennen?…
– Nun freilich… da die Familie Désirandelle auf Ihre Person Beschlag legen wird.
– Ach, Papperlapapp, das giebt’s nicht! Ich leide es nicht, daß jemand mich in Fesseln und Bande schlägt. Daß ich es von Zeit zu Zeit annehme, bei Frau Elissane einen Teller Suppe mit zu essen… das mag sein. Den Vormittag und den Nachmittag behalte ich mir aber vor und hoffe, daß wir sie dazu verwenden, durch die Stadt zu spazieren… zusammen, durch die Stadt und ihre Nachbarschaft…
–
Weitere Kostenlose Bücher