Clovis Dardentor
hatten.
Die Cabine, der er den Vorzug gab, trug die Nummer 19. An Steuerbord gelegen, befand sie sich ziemlich mittschiffs, wo das Stampfen des Fahrzeugs am geringsten ist. Vor dem Rollen und Schlingern konnte man sich freilich nirgends schützen. Am Vordertheile, wie am Hintertheile sind diese Bewegungen dieselben und gleichmäßig unangenehm für die Passagiere, die den Reiz einer wiegenden Bewegung nicht zu schätzen wissen.
Nach Besitznahme der Cabine und Ablegung des Handgepäcks, begab sich Herr Désirandelle, der die Verpackung ihrer Colli seiner Gattin überließ, mit Agathokles nach dem Speisesalon. Da sich die Offiz an der Backbordseite befand, wendete er sich ebendahin, um sich am Ende der Tafel drei Plätze, die er beanspruchte, durch Belegung mit seiner Karte zu sichern.
Ein Reisender saß schon an diesem Ende, während sich der Restaurateur nebst seinen Leuten damit beschäftigte, die einzelnen Couverts für die Mittagstafel um fünf Uhr in Ordnung zu bringen.
Der erwähnte Reisende hatte also schon von einem solchen Platze Besitz genommen und seine Karte zwischen die Falten der Serviette gesteckt, die auf einem mit dem Monogramme des »Argeles« geschmückten Teller stand. Ohne Zweifel wollte er, in der Befürchtung, daß ihm ein Eindringling diesen Platz abwendig machen könnte, bis zur Abfahrt des Dampfers vor seinem Couvert gleich sitzen bleiben.
Herr Désirandelle warf ihm einen flüchtigen Blick zu und erhielt einen solchen zurück. Dabei hatte er aber die beiden Namen »Eustache Oriental« auf der Karte des Tischgenossen lesen können; dann belegte er dem Manne gegenüber seine drei Plätze und verließ den Speisesalon, um nach dem Oberdeck zurückzukehren.
An der Abfahrtszeit fehlten jetzt nur noch zwölf Minuten, und die auf dem Kai von Frontignan etwa verspäteten Passagiere mußten nun bald das letzte Signal der Dampfpfeife zu hören bekommen. Der Kapitän Bugarach überschritt den Landgang. Vom Vorderkastell aus überwachte der Obersteuermann des »Argeles« die Lösung der Haltetaue.
Herr Désirandelle wurde immer unruhiger und rief wiederholt mit ungeduldiger Stimme:
»Wenn er nun gar nicht käme!… Wo mag er stecken?… Was macht er denn?… Er muß doch wissen, daß es jetzt drei Uhr ist!… Er wird den Dampfer verfehlen!… Agathokles?…
– Was denn? fragte näselnd der jüngere Désirandelle, ohne daß er zu begreifen schien, was seinen Vater in so außergewöhnliche Aufregung versetzte.
– Du siehst Herrn Dardentor nicht?
– Ist er denn nicht gekommen?
– Nein, bis jetzt noch nicht…. Woran denkst Du denn?«
Agathokles dachte an nichts.
Herr Désirandelle lief auf dem Oberdeck von einem Ende zum andern, richtete einmal den Blick nach dem Kai von Frontignan und dann wieder nach der gegenüberliegenden Hafenmauer des alten Bassins. Der Ausgebliebne konnte nämlich auch auf dieser Seite auftauchen und ein Boot hätte ihn mit wenigen Ruderschlägen an die Seite des Dampfers befördert.
Kein Mensch war da zu sehen.
»Was wird Frau Désirandelle sagen! rief Herr Désirandelle in heller Verzweiflung. Sie sorgt sich so um ihn ab!… Ich kann es ihr doch nicht verhehlen! Wenn dieser Teufel von Dardentor nicht binnen fünf Minuten hier ist, was soll denn dann werden?«
»Was wünschen Sie?« (S. 18.)
Marcel Lornans und Jean Taconnat belustigten sich über die Verlegenheit des Männchens. Jedenfalls wurden die Sorrtaue des »Argeles« nun sehr bald losgeworfen, wenn der Kapitän nicht näher unterrichtet wurde und wenn man annahm, daß dieser keine hergebrachte Gnadenviertelstunde bewilligte – was übrigens kaum geschieht, wenn es sich um Personenschiffe handelt – so würde man ohne Herrn Dardentor abfahren.
Jetzt zitterten und dröhnten die Kessel schon unter dem Hochdruck des Dampfes und aus dem Abblaserohre schossen weiße Wolken hervor; der Dampfer stieß sich an der Mauer gegen seine aus Stricken geflochtnen Schutzballons, während der Maschinist die Kolben langsam in Gang setzte und die Schraube sich etwas einlaufen ließ.
In diesem Augenblicke erschien Frau Désirandelle auf dem Oberdeck. Trockner als sonst und blasser als gewöhnlich, wäre sie wohl in ihrer Cabine geblieben und hätte diese während der ganzen Fahrt nicht verlassen, wenn nicht auch sie eine wirkliche Unruhe hinausgetrieben hätte. Im Vorgefühl, daß Herr Dardentor doch nicht an Bord wäre, wollte sie trotz ihrer Schwäche den Kapitän Bugarach ersucht sehen, auf den noch
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