Clovis Dardentor
Schiffe bauen, die nicht so tanzen, und warum versteift
man sich darauf, mit solchen Maschinen zu fahren!«
»Natürlich, Désirandelle, auf dem Land würden sich die
Schiffe um kein Rollen und Stampfen scheren. Wir sind nur
noch nicht soweit! Das wird aber noch kommen!«
In Erwartung der Einführung dieses Fortschritts mußte
Herr Désirandelle vorläufig damit fürlieb nehmen, daß er
sich auf den Polsterbänken des Salons ausstreckte, die er
vor dem Eintreffen an den Balearen nicht wieder verlas-
sen sollte. Clovis Dardentor, der ihn dahin begleitet hatte,
drückte ihm noch die Hände, ging wieder nach dem Ver-
deck hinaus und mit der weit zurückgeschobenen Mütze
auf dem Kopf, mit strahlendem Gesicht wie ein ergrauter
Seebär nach dem Oberdeck hinaus, wo seine Joppe wie die
Flagge eines Admirals im Wind flatterte.
Die beiden Vettern traten auf ihn zu. Erst wurden
freundschaftliche Begrüßungen untereinander gewechselt,
dann fragte man sich gegenseitig nach dem Befinden . . . ob
Herr Clovis Dardentor nach den netten, bei Tafel verbrach-
ten Stunden auch gut geschlafen habe . . . Vorzüglich . . . ein
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ununterbrochener, stärkender Schlummer in Morpheus’
Armen . . . was man so sagt, wie ein Murmeltier im Winter!
Oh, wenn Patrice wieder solche Worte aus dem Mund
seines Herrn mitangehört hätte!
»Und Sie, meine Herren, auch gut geschlafen?«
»In einem weg, mit fest zugekleisterten Augen!« antwor-
tete Jean Taconnat, der in der vulgären Sprechweise Clovis
Dardentors bleiben zu sollen glaubte.
Zum Glück war Patrice nicht gegenwärtig. Er erging sich
eben seinem neuen Freunde, dem Oberkellner gegenüber
in fein gedrechselten Redewendungen. Eine gute Meinung
von dem jungen Pariser, der sich in solchem Gassenjargon
ausdrückte, hätte er gewiß nicht bekommen.
Das Gespräch spann sich nun in vertraulicher Tonart
weiter. Clovis Dardentor konnte sich wegen seiner Bezie-
hungen zu den jungen Leuten nur beglückwünschen. Und
diese wieder . . . wie gütig hatte es der Zufall gefügt, der sie
einen so angenehmen Reisegenossen finden ließ. Das gab ja
Hoffnung, mit Herrn Dardentor auch noch in intimere Ver-
hältnisse zu treten. In Oran würde man sich wiedertreffen
. . . Sollten die Herren dort längere Zeit verweilen?
»Auf jeden Fall«, erklärte Marcel Lornans, »denn wir be-
absichtigen dort ein Engagement . . .«
»Ein Engagement . . . beim Theater?«
»Nein, Herr Dardentor, bei den 7. Afrikanischen Jä-
gern.«
»Ah, ein schönes Regiment, meine Herren, ein vortreff-
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liches Regiment, da werden Sie schon vorwärtskommen! . . .
Das ist also beschlossene Sache . . .«
»Wenigstens dann«, glaubte Jean Taconnat hier erläu-
ternd einfügen zu sollen, »wenn nicht etwas Besonderes da-
zwischenkommt . . .«
»Meine Herren«, antwortete Clovis Dardentor, »welcher
Laufbahn Sie sich auch widmen mögen, ich bin überzeugt,
daß Sie dabei Ehre einlegen werden!«
Oh, wenn diese Worte bis zu Patrices Ohren hätten drin-
gen können! Dieser war aber in Begleitung des Oberkell-
ners nach dem Anrichtezimmer hinuntergegangen, wo der
Kaffee mit Sahne aus den großen Schiffstassen duftete.
Jedenfalls stand es fest, daß die Herren Clovis Darden-
tor, Jean Taconnat und Marcel Lornans über ihr Zusam-
mentreffen sehr erfreut waren; sie hofften sogar, daß die
Ausschiffung in Oran keine plötzliche Trennung herbeifüh-
ren würde, wie das unter Reisegenossen sonst der Fall zu
sein pflegt.
»Wenn es Ihnen genehm ist«, sagte Clovis Dardentor,
»können wir ja in demselben Hotel Wohnung nehmen.
»Höchst angenehm«, beeilte sich Jean Taconnat zu ant-
worten, »das bietet sogar unbestreitbare Vorteile.«
»Also abgemacht, meine Herren!«
Ein neuer Austausch von Händedrücken, worin Jean Ta-
connat etwas Väterliches und Kindliches zu fühlen meinte.
»Und«, dachte er dabei, »wenn in dem Hotel zufällig
Feuer ausbräche, welch herrliche Gelegenheit, diesen aus-
gezeichneten Herrn aus den Flammen zu retten!«
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Gegen 11 Uhr wurden die noch entfernten Umrisse des
Archipels der Balearen im Südosten gemeldet. In weniger
als 3 Stunden sollte der Dampfer in Sicht von Mallorca sein.
Bei dem günstigen Seegang, der ihn von rückwärts traf,
würde er keine Verzögerung erleiden und mit der Pünkt-
lichkeit eines Schnellzugs in Palma eintreffen.
Dieselben Passagiere, die gestern an der Tafel teilgenom-
men
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