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Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gelegentlich gegen ihn auszusprechen.
    — 97 —
    Zuweilen war Clovis Dardentor, der – wie der Leser
    schon weiß – die Manie hatte, »Phrasen zu drechseln«, in
    der Laune, die Bemerkungen seines Dieners gutmütig hin-
    zunehmen. Er lachte darüber, spöttelte über den Mentor in
    Livree und machte sich’s zum Spaß, diesen noch mehr in die
    Wolle zu bringen.
    Manchmal aber, bei schlechter Laune, wurde er böse,
    schickte den unglücklichen Berater zum Kuckuck und kün-
    digte ihm für die nächsten 8 Tage . . . 8 Tage, die niemals
    kamen.
    Wenn Patrice einerseits nämlich ärgerlich war, im Dienst
    eines Herrn, der sich wenig gentlemanlike benahm, zu ste-
    hen, so war Clovis Dardentor andererseits stolz auf einen so
    vornehmen Diener.
    Gestern hatte sich Patrice auch weidlich geärgert. Er be-
    klagte sich dem Oberkellner gegenüber, daß Herr Clovis
    Dardentor bei Tafel seiner Zunge gar so ungezügelten Lauf
    gelassen und dummes Zeug geschwätzt, in den anderen
    Herren aber eine so klägliche Vorstellung von einem Einge-
    borenen der Ostpyrenäen erweckt habe.
    Nein, Patrice war unzufrieden und bemühte sich auch
    gar nicht, das zu verhehlen. Eben deshalb hatte er auch,
    ohne gerufen worden zu sein, schon zu früher Morgen-
    stunde an die Tür der Kabine 13 geklopft.
    Das erste Mal erfolgte darauf keine Antwort; jetzt klopfte
    er stärker.
    »Wer da?« grollte eine schlaftrunkene Stimme.
    »Patrice . . .«
    — 98 —
    »Ach was, geh zum Teufel!«
    Ohne diesem liebenswürdigen Rat zu folgen, hatte Pa-
    trice sich zurückgezogen; ihn durchfröstelte aber jene un-
    parlamentarische Antwort, obwohl er an deren Art gewöhnt
    sein mußte.
    »Mit diesem Menschen ist doch nichts Gescheites anzu-
    fangen!« brummte er vor sich hin.
    Voller Würde und Vornehmheit des »englischen Lords«
    wie immer war er nach dem Verdeck hinaufgegangen und
    wartete hier geduldig auf das Erscheinen seines Herrn.
    Die Wartezeit zog sich recht lange hin, denn Herr Dar-
    dentor spürte gar keinen Drang, sein Lager so schnell zu
    verlassen. Endlich knarrte die Tür der Kabine, nachher die
    zum Oberdeck und die Hauptperson dieser Geschichte trat
    daraus hervor.
    Jean Taconnat und Marcel Lornans, die am Vorderkastell
    lehnten, wurden seiner sofort gewahr.
    »Achtung! . . . Unser Vater!« rief Jean Taconnat leise.
    Der ebenso ungereimten wie vorzeitigen Bezeichnung
    gegenüber konnte sich Marcel Lornans des lauten Aufla-
    chens nicht enthalten.
    Inzwischen ging Patrice gemessenen Schritts und stren-
    gen Gesichts mit mißbilligendem Ausdruck auf Herrn Dar-
    dentor zu, um, wenn auch mit Widerwillen, die Befehle sei-
    nes Herrn entgegenzunehmen.
    »Aha, da bist du ja, Patrice . . . Du, der mich aus dem bes-
    ten Schlaf geweckt hat, als ich mich noch in den rosigsten
    Träumen wiegte . . .«
    — 99 —
    »Der Herr werden zugestehen, daß meine Pflicht . . .«
    »Deine Pflicht war es, zu warten, bis ich nach dir klin-
    gelte.«
    »Der Herr glaubt wohl in Perpignan zu sein, in seinem
    Haus am Logeplatz . . .«
    »Ich weiß recht gut, wo ich bin«, versetzte Herr Darden-
    tor, »und wenn ich dich brauchte, hätte ich dich holen las-
    sen . . . unseliger Schlummerstörenfried!«
    In Patrices Gesicht zuckte es leicht, und er sagte in erns-
    tem Ton:
    »Ich ziehe es vor, den Herrn nicht zu verstehen, wenn
    der Herr seinen unfreundlichen Gedanken in solchen Wor-
    ten Ausdruck gibt. Übrigens möcht’ ich den Herrn darauf
    hinweisen, daß die niedrige runde Mütze, womit er sich
    zu bedecken beliebte, mir für einen Passagier erster Kajüte
    nicht passend erscheint.«
    In der Tat sah die, Clovis Dardentor im Nacken sitzende
    baskische Kappe nicht gerade vornehm aus.
    »Meine Mütze gefällt dir also nicht, Patrice?«
    »So wenig, wie die wollene Joppe, in die sich der Herr
    wohl in der Vorstellung gesteckt hat, daß man auf einer See-
    reise auch wie ein Seemann aussehen müsse.«
    »Da hast du völlig recht!«
    »Wäre ich von dem Herrn eingelassen worden, ich würd’
    ihn gewiß gehindert haben, sich in dieser Weise zu klei-
    den!«
    »Du würdest mich gehindert haben, Patrice?«
    »Ich bin nicht gewöhnt, dem Herrn meine Meinung vor-
    — 100 —
    zuenthalten, auch wenn ihn das erzürnen sollte, und was
    ich in Perpignan, im Haus des Herrn tue, das kann ich hier
    an Bord eines Dampfers auch nicht lassen.«
    »Beliebt es Ihnen, nun fertig zu sein, Herr Patrice?«
    »Trotz der Höflichkeit dieses Ausdrucks muß ich geste-
    hen«, fuhr Patrice

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