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Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dahinführte, sondern unser Clovis Dardentor,
    der noch unerschüttert auf der Vorderbank des Wagens
    saß.Eben stand das prächtige Portal der Eulalienkirche weit
    offen. Im Innern betete eine gläubige Gemeinde. Der Got-
    tesdienst nahte sich dem Ende und der der frommen Ver-
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    sammlung zugewandte Priester erhob gerade die Arme, um
    jener den Segen zu erteilen.
    Doch welch ein Lärm, welche Aufregung der Versamm-
    lung, welche Schreckensrufe, als die Galera plötzlich schau-
    kelnd und hüpfend über die Steinplatten des Gangs im Mit-
    telschiff hereinpolterte. Doch welch wunderbarer Effekt
    auch, als das Gespann endlich vor den Stufen des Altarplat-
    zes im letzten Augenblick haltmachte.
    » Et spiritu sancto! « erklang es aus dem Mund des Geist-
    lichen.
    » Amen! « antwortete eine helltönende Stimme. Es war
    die des Perpignanesers, der eben einen gewiß verdienten
    Segen empfangen hatte.
    Nach dieser unerwarteten Lösung des Knotens wird
    es niemand verwundern, daß die Leute dieses tiefreligiö-
    sen Landes dabei an ein Wunder glaubten, und es wäre gar
    nichts Erstaunliches, wenn man künftig in der Kirche der
    heiligen Eulalia an jedem 28. April das Fest der »Santa Ga-
    lera de Salud« feierte.
    Eine Stunde später hatten Marcel Lornans und Jean Ta-
    connat ihren Clovis Dardentor neben einem Gasthaus in der
    Calle de Miramar wiederentdeckt, wo der außerordentliche
    Mann sich von seiner Aufregung und Anstrengung erholte.
    Von Aufregung darf man übrigens kaum sprechen, wenn es
    sich um einen solch stahlharten Charakter handelt.
    »Herr Dardentor!« rief Jean Taconnat.
    »Ah, meine jungen Freunde«, antwortete der Held des

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    Tages, »das war eine Fahrt, die mich bald ein bißchen durch-
    gerüttelt hätte.«
    »Sie sind ohne Schaden davongekommen?« fragte Mar-
    cel Lornans.
    »Ja . . . vollständig, ich glaube sogar, daß ich mich nie-
    mals wohler befunden habe! . . . Auf Ihre Gesundheit, meine
    Herren!«
    Die beiden jungen Leute mußten ein paar Gläser des
    vortrefflichen Benisalemweins leeren, dessen Ruf weit über
    die Balearen hinausreicht.
    Als Jean Taconnat seinen Vetter dann einmal beiseite
    nehmen konnte, raunte er ihm zu:
    »Eine verfehlte Gelegenheit!«
    »Doch nein, Jean!«
    »Doch ja, Marcel, denn selbst angenommen, ich hätte
    Herrn Dardentor durch das Aufhalten der Galera gerettet,
    so wirst du doch, da ich ihn nicht dem Wasser, nicht den
    Flammen entrissen und auch aus keinem Kampf herausge-
    hauen habe, mir nicht wollen glauben machen, daß . . .«
    »Ein hübsches Thema, vor einem Zivilgerichtshof zu
    verfechten!« begnügte sich Marcel Lornans zu antworten.
    Um 8 Uhr abends waren alle, die die ›Argèlès‹ verlassen
    hatten, wieder an Bord zurück.
    Keiner hatte sich diesmal verspätet, weder die Herren
    Désirandelle Vater und Sohn noch Herr Eustache Oriental.
    Ob der Astronom seine Zeit wohl damit verbracht hatte,
    die Sonne über dem Horizont der Balearen zu beobach-
    ten? Niemand hätte das sagen können. Jedenfalls brachte er
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    aber mehrere Pakete mit solchen Eßwaren mit, die diesen
    Inseln eigentümlich sind, zum Beispiel »Encimados«, eine
    Art Kuchen aus Blätterteig, der statt mit Butter mit Fett ge-
    backen wird, doch deshalb nicht weniger schmackhaft ist,
    und auch ein halbes Dutzend »Lippfische«, denen die Fi-
    scher vom Kap Formentor mit Vorliebe nachstellen und die
    der Koch des Dampfers für ihn besonders sorgsam zuberei-
    ten mußte.
    Der Vorsitzende der Astronomischen Gesellschaft von
    Montélimar war offenbar mehr mit dem Mund als mit den
    Augen tätig . . . mindestens seit seiner Abfahrt von Frank-
    reich.
    Gegen 8 Uhr 30 wurden die Haltetaue losgeworfen und
    die ›Argèlès‹ verließ den Hafen von Palma, ohne daß Ka-
    pitän Bugarach seinen Passagieren gestattet hatte, sich den
    ganzen Abend in der Hauptstadt Mallorcas aufzuhalten.
    Deshalb war es Clovis Dardentor nicht vergönnt, die Stim-
    men der hiesigen »Serenos« und ihre Abendgesänge zu ver-
    nehmen, so wenig wie die Refrains der »Habaneras« und
    der nationalen »Jotas«, die mit den melodiösen Tönen von
    Gitarren begleitet werden und von denen die Patios (Höfe)
    der balearischen Häuser bis zum frühen Morgen widerklin-
    gen.
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    8. KAPITEL
    Worin die Familie Désirandelle mit der
    Familie Elissane in Berührung kommt
    »Heute warten wir mit dem Essen bis 8 Uhr«, sagte Frau
    Elissane. »Herr und Frau Désirandelle mit ihrem Sohn

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