Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
weiter-
    fahren sollte.
    »Ja, wahrhaftig«, erklärte der Perpignaneser, »hier lohnt
    sich ein Aufenthalt von Wochen . . . Monaten . . .«
    »Oh«, meldete sich der Führer, dem es an Anekdoten
    nicht zu fehlen schien, »das ist einem Ihrer Landsleute,
    — 143 —
    meine Herren, freilich etwas gegen seinen Willen, wider-
    fahren . . .«
    »So? . . . Und wie hieß er?«
    »François Arago.«
    »Arago! . . . Arago!« rief Clovis Dardentor. »Eine der
    Leuchten des gelehrten Frankreich!«
    Tatsächlich war der berühmte Astronom im Jahr 1808
    nach den Balearen gekommen, um die Messung eines Meri-
    dianbogens zwischen Dünkirchen und Formentera zu voll-
    enden. Von der mallorquinischen Bevölkerung verdäch-
    tigt und sogar mit dem Tod bedroht, wurde er im Schloß
    Bellver 2 Monate lang gefangengehalten, und diese Gefan-
    genschaft hätte gewiß noch weit länger gedauert, wenn es
    ihm nicht gelungen wäre, durch ein Fenster des Castillo zu
    flüchten und eine Barke zu mieten, die ihn nach Algier hi-
    nüberfuhr.
    »Arago«, wiederholte Clovis Dardentor, »der weltbe-
    rühmte Sohn von Estagel, das ruhmreiche Kind des Arron-
    dissements meines Perpignan, meiner Ostpyrenäen!«
    Inzwischen drängte die Zeit zum Verlassen der Platt-
    form, von der aus man, wie vom Nachen eines Luftschiffs,
    das unvergleichlich schöne Land überblickte. Clovis Dar-
    dentor konnte sich von dem Bild vor ihm kaum abwenden
    . . . noch immer lief er hin und her und beugte sich überall
    über die Brustwehr hinaus.
    »Nehmen Sie sich in acht«, rief ihm Jean Taconnat zu
    und hielt ihn dabei am Kragen des Jackets zurück.
    »In acht nehmen?«
    — 144 —
    »Gewiß . . . etwas mehr . . . Sie wären bald hinunterge-
    stürzt! . . . Warum wollen Sie uns einen solchen Schreck ein-
    jagen . . .«
    Ein sehr legitimer Schreck, denn wenn der ehrenwerte
    Mann über die Brustwehr gepurzelt wäre, hätte Jean Ta-
    connat dem Fall des Adoptivvaters in den Wallgraben hin-
    unter nur beiwohnen, jenem aber doch keine Hilfe bringen
    können.
    Höchst bedauernswert blieb es immer, daß die so spär-
    lich bemessene Zeit einen eingehenden Besuch des herr-
    lichen Mallorca unmöglich machte. Es genügt hier ja nicht,
    die verschiedenen Viertel seiner Hauptstadt durchwandert
    zu haben, man muß auch dessen andere Städte besuchen,
    und würdigere, um Touristen anzulocken, als Soller, Ynca,
    Pollensa, Manacor und Valldmosa dürfte es nirgends wie-
    der geben. Und dann die natürlichen Höhlen von Arta und
    von Drach, die für die schönsten der Erde gehalten werden,
    mit ihren sagenreichen Seen, ihren Stalaktitenkapellen, ih-
    ren Bädern mit klarem, frischem Wasser, mit ihrem Thea-
    ter, ihrer Hölle usw. . . . freilich lauter Fantasiebezeichnun-
    gen, die aber für die Wunder dieser großen unterirdischen
    Welt ganz passend erscheinen.
    Und was soll man von Miramar sagen, von dem unver-
    gleichlichen Besitztum des Erzherzogs Ludwig Salvator,
    von den tausendjährigen Wäldern, deren alten Bestand der
    gelehrte und kunstliebende Fürst sorgsam erhalten läßt;
    von seinem Schloß auf einer überhöhten Terrasse in rei-
    zender Lage an der Küste von der »Hospederia«, dem auf
    — 145 —
    Kosten Seiner Kaiserlichen Hoheit verwalteten Gasthaus,
    das allen, die dort vorsprechen, 2 Tage lang Unterkunft und
    Verpflegung unentgeltlich gewährt und wo selbst die, die
    es wünschten, es vergeblich versuchen, sich durch ein Ge-
    schenk an die Leute des Erzherzogs für die gastliche Auf-
    nahme dankbar zu erweisen.
    Einen Besuch verdient ferner die jetzt öde, stille, verlas-
    sene Chartreuse de Valldmosa, wo Georges Sand und Cho-
    pin eine Jahreszeit verlebten, ein Aufenthalt, dem die Welt
    zwei weitbekannte Werke, »Ein Winter auf Mallorca« und
    den merkwürdigen Roman »Spiridion« zu verdanken hat.
    Das erzählte der Führer in seiner unversieglichen Red-
    seligkeit und den stereotypen Sätzen, die seinem Cicero-
    nengehirn nun einmal fest eingeprägt waren. Kein Wunder
    also, daß Clovis Dardentor seinem Bedauern, diese Oase
    des Mittelmeers verlassen zu müssen, den lebhaftesten Aus-
    druck gab, daß er sich vornahm, mit den beiden jungen
    Leuten und neugewonnenen Freunden hierher zurückzu-
    kehren, wenn sie jemals Zeit dazu hätten . . .
    »Es ist bereits 6 Uhr«, bemerkte Jean Taconnat.
    »Ja, es ist schon 6 Uhr«, fügte Marcel Lornans hinzu, »wir
    können die Rückkehr nicht länger aufschieben, da noch ein
    Teil von Palma übrig ist, den wir besuchen

Weitere Kostenlose Bücher