Clovis Dardentor
sagte Marcel
Lornans.
»Ei«, fiel Jean Taconnat ein, der seinem Zukunftsvater
offenbar etwas nach dem Mund reden wollte, »ich möchte
Herrn Dardentor wirklich recht geben. Dieses Treiben ist
doch höchst interessant, das Ein- und Auslaufen der Schiffe,
die mit Waren beladenen Lastwagen, die Unmenge arabi-
scher Träger . . . In der Stadt darin gibt’s gewiß recht sehens-
werte Gebäude, die wir ja auch besichtigen werden. Der
Hafen aber, das Meer, das seine Becken füllt, das azurblaue
Wasser mit dem Spiegelbild der vielen Masten . . .«
Marcel Lornans warf ihm einen verschmitzten Blick zu.
»Bravo!« rief Herr Dardentor. »Sehen Sie, wenn es ei-
ner Gegend an Wasser gebricht, dann fehlt ihr meines Er-
achtens nach, ich weiß nicht, was! Ich besitze einige vorzüg-
liche Gemälde in meinem Haus am Logeplatz, doch auf
allen spielt das Wasser die Hauptrolle. Sonst hätt’ ich sie gar
nicht gekauft.«
»Oh, Sie sind darin ja Kenner, Herr Dardentor«, antwor-
tete Marcel Lornans. »Wir wollen also Örtlichkeiten auf-
suchen, wo sich Wasser vorfindet. Muß es etwa Süßwasser
sein?«
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»Das ist mir gleich; es geht doch nicht darum, es zu trin-
ken!«
»Und du, Jean?«
»Mir ist es gleichgültig . . . bezüglich dessen, wozu ich
es brauchen könnte«, erwiderte Jean Taconnat mit einem
Blick auf seinen Freund.
»Gut also«, fuhr Marcel Lornans fort, »Wasser finden
wir auch anderswo als am Hafen; so gibt es nach Joanne
auch noch den Bergbach Rehhi, der vom Boulevard Oudi-
not teilweise überdeckt ist.«
Was Marcel Lornans aber auch anführte, dieser Vormit-
tag wurde doch auf den Kais des Hafens zugebracht, und
erst als diese überall besucht waren, gingen Dardentor und
die beiden Pariser zum zweiten Frühstück ins Hotel zurück.
Nach 2stündiger Siesta und nach Lektüre der Zeitungen
machte Clovis Dardentor seinen jungen Freunden den Vor-
schlag, den Spaziergang durch das Innere der Stadt auf den
nächsten Tag zu verschieben.
»Und warum das?« fragte Marcel Lornans.
»Weil die Désirandelles es doch übel deuten könnten,
wenn ich sie allein in der Patsche sitzen ließ!«
Da Patrice nicht dabei war, konnte Herr Dardentor
die Worte getrost so brauchen, wie sie ihm gerade auf die
Zunge kamen.
»Werden Sie denn nicht bei Frau Elissane zu Mittag es-
sen?« fragte Jean Taconnat.
»Ja . . . heute noch einmal. Von morgen ab mögen sie bis
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zum Abend sehen, wie sie allein fertig werden. Auf Wieder-
sehen also!«
Damit wandte sich Clovis Dardentor schnellen Schritts
der Alten Schloßstraße zu.
»Wenn ich nicht mehr an seiner Seite bin«, versicherte
Jean Taconnat, »fürchte ich immer, daß ihm ein Unglück
zustoßen könne . . .«
»Du gute Seele!« antwortete Marcel Lornans.
Es wäre unnütze Zeitvergeudung, hier eingehender zu
schildern, mit welchem Vergnügen Herr Dardentor im
Haus von Frau Elissane empfangen wurde und wie freund-
schaftlich Louise, die sich instinktiv zu dem trefflichen
Mann hingezogen fühlte, ihm entgegenkam.
Der junge Désirandelle war nicht da . . . er war niemals
da, statt im Haus zu bleiben, zog es der Schwachkopf vor,
draußen gedankenlos umherzulungern. Nur zum Essen
pflegte er sich einzustellen. Obwohl er bei Tisch rechts ne-
ben Louise Elissane saß, richtete er doch kein Wort an seine
Nachbarin. Dardentor, der an ihrer anderen Seite saß, war
freilich nicht dazu geschaffen, die Unterhaltung einschlafen
zu lassen. Er sprach von allerlei, von seinem Departement,
seiner Heimatstadt, von der Fahrt an Bord der ›Argèlès‹,
von seinen Abenteuern in Palma, erzählte von der durch-
gegangenen Galera, von seiner großartigen Einfahrt in die
Kirche der heiligen Eulalia, ebenso wie von seinen jungen
Reisegefährten, die er nicht genug rühmen konnte . . . von
den jungen 20jährigen Freunden, die er zwar erst seit 3 Ta-
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gen kannte, während er sein freundschaftliches Verhältnis
zu ihnen gleich vom Tag ihrer Geburt an rechnete.
Als Folge davon erwachte in Louise der Wunsch, die bei-
den jungen Pariser im Haus ihrer Mutter eingeführt zu se-
hen, und sie konnte auch ein leichtes Zeichen der Befriedi-
gung nicht unterdrücken, als Dardentor mit einem solchen
Vorschlag hervortrat.
»Ich werde sie Ihnen vorstellen, Fräulein Elissane«, sagte
er, »gleich morgen bring’ ich sie mit her. – Vortreffliche
junge Leute . . . echte Musterexemplare . . . und Sie werden es
nicht
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